Saturday, December 22, 2007

Teddy


Es war einmal ein kleiner Teddybär, der saß am Abend gerne am Strand und schaute den Wellen zu, wie sie mit weißer Krone an den Stand liefen. Der Teddybär hatte einen großen Traum. Nachdem er jahrelang von einem kleinen, garstigen, selbstsüchtigen Jungen namens Volker gefangen gehalten wurde, der ihm in all den Jahren der Gefangenschaft viel Unrecht angetan hatte, da träumte Teddy, dass Eltern ihren Kindern zu Weihnachten kein Spielzeug mehr schenken würden.

Eine Träne lief ihm aus seinem Glasauge, das andere war ihm vom garstigen Jungen bei einem Doktorspiel langsam und schmerzhaft entfernt worden. Die traumatischen Erlebnisse seiner Gefangenschaft zogen in seinem Geist an ihm vorbei.

Da gab es das Aufschneiden seines felligen Bäuchleins und das Herausholen seiner Stimme. Schrecklich, stundenlang sah er den kleinen Volker mit seiner Stimme in der Hand Bäh machen, während ihm in seinem kleinen Teddybärenbauch ein großes Loch klaffte.

Dann die Male, an denen er achtlos am Ohr hinter Volker hergeschleift wurde. Oder wo er als Waffe missbraucht, gar anderen Kindern auf die harten Köpfe geschlagen wurde. Wie hart doch kleine Kinderköpfe sind!

Nein - sein Märtyrium war vorbei, er war entkommen, achtlos von Familie Miller den Müll geworfen worden. Enttäuschend, nachdem er all die Jahre sich die kleinen Geheimnisse hatte anhören müssen. Teddy, ich habe Mami 50 cents aus dem Portemonnaie geklaut. Teddy, ich habe meiner Schwester die Hausaufgaben mit Uhu zugeklebt. Teddy..

Die Tränen wollten nicht enden an diesem wunderschönen Abend, aber Teddy war entschlossen. Es musste etwas geschehen, damit all die Spielsachen in Sicherheit gebracht wurden, vor kleinen tapsigen, grausamen Händen ...

Es ward Heiligabend und das Christkind kam bei Teddy vorbei. Teddy, du warst brav all die Jahre, daher habe ich dir ein besonderes Geschenk mit gebracht. Ich schenke dir einen lebenden Körper. Teddy war überglücklich. Er fühlte die Wärme in seinem neuen Körper, er sah aus zwei Augen und - er wusste nicht wie er sich bewegen oder sprechen konnte.
Das Christkind lächelte. "Das lernst du schnell", erriet es seine Gedanken. "Ist schon recht Teddy, ich weiß das du dich freust", und dann entschwand es in die malerischen Hügel der mediterranen Küstenlandschaft.

Zuerst klang es wie ein Krächzen, dann wie ein gutturales Gurgeln, dann war es laut und deutlich. "Rache", donnerte es in die Stille des Strandes. Und der zwei Zentner Teddy machte sich auf, seine Rachepläne umzusetzen. Als erstes stürmte er den nächsten Gendarmerieposten, sperrte die zwei Soldaten ein, bewaffnete sich bis an die Zähne und sprang in einen voll getankten Wagen.

Sein Ziel, sein bisheriges Zuhause in Deutschland. Er würde der Weltöffentlichkeit seine Leidensgeschichte darstellen und sie mit den Geständnissen seiner grausamen Ex-Familie untermauern.

Weinend liefen ihm die Tränen über die Wangen, wenn er die Bildzeitungsüberschrift vor sich sah. Unschuldiges Teddybärchen jahrelang gequält. Lebend auf den Müll geworfen.
Ja, alle sollen es wissen., dabei fletschte es seine perfekten Reißzähnchen, die ihm das Christkind geschenkt hatte.

Das Timing war perfekt. Als in der Gendarmerie der Alarm los ging, da war Teddybärchen schon über die unbewachte Grenze nach Deutschland gekommen und steuerte am ersten Weihnachtsabend, auf das Heim der Familie Miller zu.

Teddy heulte schmerzerfüllt auf, als es in die Straße einbog und den Sandkasten sah, auf den sein Kopf so oft geschlagen worden war, wenn sich klein Volker über Nichtigkeiten geärgert hatte.

Teddy sprang aus dem Wagen, entsicherte die Uzi und machte sich nicht die Mühe zu klingeln. Er sprang gegen die Haustür der Millers, die aus den Angeln sprang. Dann schoss Teddy wild um sich. Es folgte eine Friedhofsruhe.

War niemand da? Teddy schmiss die leer geschossene Waffe achtlos in die Ecke und ging durch die Diele des Einfamilienhauses auf das Esszimmer zu. Mit vor Schreck aufgerissenen Augen sahen ihn Vater Miller, Mutter Miller, Tochter Valeria und sein Quälgeist Volker an. Sie hatte gerade um eine duftende gebratene Pute herumgesessen und gegessen. Zogen Sie nur Vergnügen aus dem Leid Anderer? Diese Pute hatte noch ein leben vor sich, Träume, vielleicht eine Puten Familie gründen und unter einem Vollmondhimmel sich der grenzenlosen Freiheit hinzugeben.

Ein Bär rief Vater Miller aus und fiel in Ohnmacht, während Mutter Miller ihn auffing.
"Rache", schrie Teddy.

Mutter Miller hatte alles im Griff, so wie sonst auch. "Was ist das für ein Scherz? Die Tür wird aber heute noch wieder hergerichtet. Da kann doch keiner Weihnachten feiern, wenn es kalt durch die Tür zieht."


"Ich bin Teddy, ihr habt mich im Urlaub in Frankreich auf den Müll geworfen. Das war böse!"

"Teddy, ja sicher , der Volker hatte mal so einen alten Teddy, den mussten wir wegwerfen, weil er verschlissen war", sagte Frau Miller nachdenklich aber ohne spürbare Bewegung.

Teddy schrie auf und riss die zweite Uzi hoch. Ein Kugelhagel hämmerte in die Tapete des Esszimmers, der Putenbraten tanzte im Kugelhagel wie ein Tennisball auf einer Wasserfontäne.

Schwer atmend wachte klein Volker auf, seinen Teddy im Arm. Er hatte abends noch einen französischen Gangsterfilm sehen dürfen und die ganzen bösen Männer hatten ihn sehr beeindruckt. Er drückte seinen Teddy an sich. Keiner darf dir was tun.... Es war ruhig im Haus. Friede überall, Weihnachten.
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"Ein Durchschnittsschüler in den USA hat nach Abschluss der Highschool (das heißt nach zwölf Schuljahren) etwa 13 000 Stunden in der Schule verbracht - und 25 000 Stunden vor dem Fernsehapparat. Er hat 32 000 Morde und 40 000 versuchte Morde gesehen sowie 200 000 Gewalttaten. Der Täter kommt in 73 Prozent der Fälle ungestraft davon, in mehr als der Hälfte (58 Prozent) der Fälle tut die Gewalt nicht weh, und in nur vier Prozent aller Gewaltakte werden gewaltlose Alternativen der Problemlösung aufgezeigt. Wenn nun Kindergehirne die Regeln aus ihren Erfahrungen, also aus den gesehenen Gewaltszenen, extrahieren, dann kann sich in ihrem Gehirn nur das Folgende in Form tiefer Trampelpfade breit gemacht haben: Gewalt gibt es sehr häufig in der Welt, sie löst Probleme und hierzu gibt es keine Alternative, Gewalt tut nicht weh, und der Gewalttäter kommt ungeschoren davon."
Quelle: [werner werner stangl]s arbeitsblätter, Fernsehen und Gewalt
Bild: Christin Erwig, Eisbär 2
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Quelle:www.piqs.de

1 comment:

Anonymous said...

Hallo Ray
Das ist eine wirklich gute Geschichte.
gruss zentao