Monday, May 12, 2008

Festgehakt


Wieder einmal hatte ich den Platz der Trauer erreicht. Ein einsamer Platz in einer felsigen Waldlandschaft. Es war eine klare Mondnacht und ich schaute traurig über die Schemen der Kieferbäume hinweg. Alles war ruhig und angesichts des Abendhimmels und der Einsamkeit in einer unberührten Landschaft gab ich mich dem Gefühl des Wunders des Lebens hin. All die Sterne über mir, die Erde mit ihren Lebewesen, warum gab es das alles? Wo lag der Sinn?

In meiner Leibesmitte spürte ich, dass sich mir etwas annäherte. Ich entspannte mich und öffnete vorsichtig meine Sinne und geriet in Kontakt. Die Gedanken verebbten. Und die kleinen sandigen Furchen am Boden erschienen im silbrigen Glanz des Mondeslichts und den seichten Schatten zu riesigen Gebirgen aufzuwachsen.

Inmitten all meiner Trauer blickte ich nach innen in meinen Solar Plexus. Ich erblickte einen lächelnden fröhlichen Ray. Ich öffnete meine Augen und sah die Sonnenfrau, deren Ankommen ich nicht bemerkt hatte.

Ich fühlte sie, und spürte eine liebevolle Gewissheit, dass es Zeit wäre etwas zu verstehen.

"Ray, ein Leben lang trauern die Menschen um Verluste und wegen Verletzungen, die sie in der Vergangenheit erlitten. All diese Trauer wird im Solar Plexus gespeichert und um sie dort zu verankern, bedarf es eines Haken, der die Trauer festhält. Der Haken ist kein Haken aus Metall, wie Du ihn dir vielleicht vorstellst, es ist ein Haken aus Fasern, die von tief unten kommen, aus der Nabelgegend. Suche den Haken."

Mir war nicht nach Reden, und meine Gedanken schienen für immer verschwunden zu sein und dann sah ich den Haken. Eine starre Formation von Fasern, an denen Fetzen hingen wie zerrissene Kleider.

Die Sonnenfrau lächelte mir im Mondlicht zu. "Zieh den Haken nach unten, schicke ihn zurück in den Nabel."

Ohne zu wissen wie ich das wohl anstellen könnte, rollte sich der Haken plötzlich ein. Eine Woge von Schmerz und Trauer erfasste mich, schüttelte mich und verließ mich. Die Trauer war fort.
"Manchmal trauern wir. Manchmal halten Männer zu lange an, um sich der Trauer zu stellen. Sie hängen im wahrsten Sinne des Wortes fest. Prüfe immer wieder von Zeit zu Zeit, dass in der Trauer keine Verbindung zum Nabel steckt, damit du traurige Gefühle auch wieder fortlassen kannst."

Ich nicke. Ohne Worte blicke ich weiter in den Sternenhimmel. Glücklich.

2 comments:

Anonymous said...

Lieber Ray,
haben wir wieder einen Haken gelöst, freuen wir uns.
Uralt, wie wir Menschen sind, gibt es eine Menge zu tun.
Packen wir's an.

Gerade hat sich mein Computer *verhakt" *g*

Das ist ja direkt sinnbildlich zu verstehen.

Ich musste den Kommentar neu schreiben.
Wiederholung einer Prozedur, die sich oft wiederholt.

Aber!
es ist ja nur der Computer ;-)

Liebe Grüße

Barbara

Ray Gratzner said...

Liebe Barbara, danke für Anpacken und für den Kommentar. ;-)