Thursday, May 22, 2008

Nein, Nein


"Die Wortkargen imponieren immer. Man glaubt schwer, dass jemand kein anderes Geheimnis zu bewahren hat als das seiner Unbedeutendheit."

Marie von Ebner-Eschenbach.

Als ich eine Berufsausbildung machte, da war unter den Schülern einer, der sprach wenig und schüttelte ab und zu nachdenklich den Kopf. Wir waren Schüler schwer beeindruckt und hielten ihn wirklich für clever. Und mal ganz ehrlich, wer hat nicht schon Männer getroffen, bei denen er gedacht hätte, wenn die jetzt den Mund halten würden, dann sähen die wirklich würdig aus?

So habe ich diese Technik u.a. auch dann und wann im Unterricht oder an Dozenten ausprobiert und fordere jeden auf, diese Erfahrung selbst einmal nach zu vollziehen. Ich setze mich in den Vortrag und schüttele kontinuierlich jede Minute einmal verneinend den Kopf. Man kann dazu die Stirn runzeln, vorwurfsvoll blicken oder enttäuscht seufzen.

Je nach Selbstbewusstsein des Vortragenden dauert es zwischen wenigen Minuten und bei Hartgesottenen bis zu dreißig Minuten, bis erste Nachfragen kommen, ob etwas nicht stimmen würde, und selbst dann, wenn ich versteckt hinten in der Reihe sitze. Einmal hat mir ein Dozent angedroht mich aus dem Raum zu werfen. Die Macht der Geste ohne Worte ist gewaltig und viele Menschen brauchen bestätigende liebe Blicke und Gesten mehr, als ihr äußerer Habitus es vermuten ließe.

6 comments:

Anonymous said...

Sehr interessant:-)

Konnte leider kein TrackBack setzen, habe es aber bei mir kommentiert:-)

Viele Grüsse

Luiza

Gabaretha said...

Lieber Ray,
ich kann Deinen Bericht aus eigener Erfahrung bestätigen. Ich kenne das Gefühl ;-). Ich hatte mal einen Zuhörer, der während meinem Vortrag alle paar Minuten einnickte.
Das hat mich völlig aus dem Konzept gebracht. Ich versuchte mit allen mir bekannten Mitteln seine Aufmerksamkeit auf meine Worte zu lenken und wurde dabei unsicher und nervös - aber er schlief seelenruhig ein. Später, nach dem Vortrag (nach einer gefühlt endlosen Stunde) stellte sich heraus, dass der Mann krankheitsbedingt immer in plötzlichen Schlaf verfällt. Natürlich tat mir das leid - aber ich war trotzdem erleichtert, dass nicht ich diese einschläfernde Wirkung erzeugt habe ;-).
Falls Du mal einen meiner Vorträge besuchst, bitte nicht kopfschütteln, ja?
Sonnige Grüße,
besser und besser,
Gaba

Anonymous said...

Na ja, das mag schon stimmen ... aber irgendwie finde ich es auch ein klitzekleines bisschen gemein, jemanden absichtlich so zu irritieren. ;-) Wie Gabretha schon sagt, kann man damit andere ganz schön ins Grübeln, schlimmstenfalls ins Schleudern bringen.
Andererseits gibt es sicher auch Situationen, in denen der Einsatz dieser "Macht" sinnvoll ist, z. B. um einem aufgebrachten, wütenden Gesprächspartner ein wirksames Mittel entgegenzusetzen und ihn so wieder "runter zu holen".

Muss jetzt übrigens schmunzeln, denn ich komme gerade von zwei Sitzungen, die ich protokollieren musste, und stelle mir vor, wie die anderen geschaut hätten, wenn ich den Kopf auf den Block gelegt hätte ... :-))

Lachende Abendgrüße - Judith

Ray Gratzner said...

Liebe Luiza, danke für den Besuch, ich war auch schon bei Dir ;-)

Liebe gaba, bei einem so positiven Menschen wie Dir, würd ich nicht die Unanständigkeit aufbringen, in Deinen Vorträgen den Kopf zu schütteln. Wahscheinlich würde ich nur nicken. ;-) Danke für die schöne Geschichte, die Du beigetragen hast.

Liebe judith, auch Dir danke für Deine Geschichte, die mich ebenfalls erheitert.

Anonymous said...

Lieber Ray,
ich bin mal wieder (wie immer) zu spät mit Kommentieren. Das kommt daher, dass ich nachts nicht ins Internet gehe! Und feiertags auch nicht.
Eine Frage: bist Du das auf dem Foto? Bin überhaupt nicht neugierig
:-)
Sonnige Grüße
Dori

Ray Gratzner said...

Liebe Dori, nachts im Internet ist es auch langweilig. Nein das auf dem Photo bin ich leider nicht, da habe ich eine Public Domain Anleihe gemacht. :-)