Friday, August 1, 2008

Des Henkers Tochter


Eines meiner Lieblingsgedichte von Eugenie Marlitt, der das Soziale in ihren Büchern stets ein Anliegen war, auch wenn es nicht jeder hören wollte. Zum Verständnis des Gedichtes bedarf es noch zu wissen, dass früher der Henker als unehrlicher Beruf galt und man seine Ehrlichkeit verlor, wenn man diese Menschen berührte. Seid ehrlich, ist dieses Gedicht nicht zeitlos gültig?

Im Tal wogt Morgennebeldampf,
Der Wald erdröhnt von Rossgestampf.

Aufkreischend fliegt der Vögel Schwarm
Vor Hörnerschall und Jagdalarm.

Laut keuchend über Wiesen setzt
Der stolze Hirsch, zu Tod gehetzt.

Und toller rast das Jagdgetos,
Als wär der Spuk der Hölle los.

Da – aus Gestrüpp und Dickicht tritt
Ein Mägdlein, scheu, mit zagem Schritt.

Ein Kind, so zart und wunderhold,
Mit süßem Blick, mit Lockengold,

Ein Friedensbild in heißer Schlacht
Ein Stern in stürm'scher Wetternacht. –

Rings prasselt's durch Gebüsch und Dorn
Und weithin schmettert gell das Horn.

Her braust der wilde Jägertross,
Voraus der Graf auf mächt'gem Ross...

Er hält – es schweigt die tolle Jagd...
Doch scheu entflieht die schöne Magd.

"Wie, Rosenpracht im Waldrevier?
Blüht solche süße Blume hier?"

Er springt vom Ross und hält geschwind
Im Arm das tieferschrock'ne Kind.

Und wie er an es schaut entzückt,
Da naht ein Alter, tiefgebückt.

Und stammelt bebend auf den Knien:
"Herr, lasst mein Kind des Weges ziehn!"

"Der Henker...! wie, – des Henkers Brut
Hat an der Brust des Herrn geruht!"

So tobt der Tross... der Graf erblasst,
Stösst fort die Magd in feiger Hast...

"Die schnöde Schmach sühnt nur ihr Blut!"
So ruft ein roher Knecht voll Wut.

Und schnellt den Pfeil in grauser Lust
Dem Mädchen in die weiße Brust...

Ein geller Schrei – fort jagt der Tross,
Voran der Graf auf mächt'gem Ross...

Und als das Rossgestampf verhallt,
Da wird es still im tiefen Wald. –

Nur schwaches Todesröcheln tönt
Und Vaterfluch zum Himmel stöhnt...

Zur Sonne steigt der Fluch empor...
Die strahlt und lächelt, wie zuvor.

Die Blumen blühen lustig fort
Am blutgedüngten, grausen Ort.

Frei zieht der Mörder; seinen Knecht
Beschützt des Herren Macht und Recht...

"So stirb, mein Kind! Dein Tod entsühnt,
Dass du zu leben dich erkühnt!"

3 comments:

hierundjetzt said...

und so bin ich dann hier gelandet :-)
nach einigem stöbern denke ich, dieser blog könnte auch bald zu meinen lieben gewohnheiten zählen.

lieber gut'nachtgruss
jrene

Anonymous said...

Guten Tag Ray

Da bin ich anderer Meinung. Ich finde es hat sich schon viel zum Besseren verändert verglichen mit der Zeit in der Eugenie Marlitt (deren Schaffen ich nicht kenne) lebte.
Und ich bin optimistisch und glaube daran, dass dieses neue Jahrhundert ein Jahrhundert des Dialoges sein wird. Mag es auch vordergründig oft nicht danach aussehen.

Herzlichen Gruss in den Sunntag
Elfe

Ray Gratzner said...

Liebe elfe, die Vielfalt der Meinungen macht mich fast immer glücklich.
Ich denke zur Zeit halt, in diese Zeit möchten unsere Politiker wieder zurück....
Bei 1% kontinuierlichen Verurteilungen der Bevölkerung, trifft es überraschend häufig die, die wenig besitzen (im Vergleich mit dem Anteil der Besserverdienenden).
Wer heute Geld hat, der kann aufgrund seiner Mittel und aufgrund des Wertes dem ihm Polizei und Richter beimessen, sehr gut ungeachtet seiner Taten straffrei ausgehen. In den USA ist es vielleicht noch krasser, durch das Geschworenensystem.....