Sunday, November 30, 2008

Der Alte Post 2 von 2


Der Entenmeister, eine wahrhaft weiser und in Zauberkunst erfahrener Enterich, herrschte über den heiligen See, der die heilige Frucht der Waldfee bewahrte.

An diesen See kam durstig der Bär. Er sprang ins Wasser und trank und er schlug zwei Fische.
Alle Tiere die kleiner waren als er bekamen es mit der Angst. Diese Bär könnte alle fressen. Doch Wu, so hieß der Entenmeister blieb ruhig.

Er näherte sich dem Bären und sprach, "He mein Guter, bist du nicht mehr durstig und bist du satt?"
"Was geht es dich an, Nachspeise?", gab der Bär zurück.

"Nun ich bin der Wächter des Sees und du bist Gast in meinem See: Ich möchte dich bitten jetzt zu gehen, denn ich habe dich nicht eingeladen. "

"Seit wann befiehlt das Essen, wohin der Bär zu gehen hat." Der Bär sprang vorwärts und hieb mit seiner Pranke nach Wu.

Doch der Entenmeister beherrschte seine Kunst makellos. Er wandte seine Aufmerksamkeit auf den Fakt, dass Größe belanglos sei. Er ignorierte die Vorstellung des Bären groß und gefährlich zu sein.

Wu wurde nicht größer und der Bär wurde nicht kleiner aber auch die Welt wurde nicht anders und so blieb der Bär abrupt stehen und wirkte orientierungslos. "Wo bist Du, Nachtisch?", rief der Bär böse, denn er vermochte Wu nicht mehr zu erkennen. Er sah nur eine riesige Seefläche um sich herum, so groß, dass er das Ufer nicht mehr erkennen mochte.

Wu hatte seinen Platz auf dem Wasser nicht verändert, nur in seiner Wahrnehmung war der Bär sehr klein geworden. Wu pustete ein wenig in Richtung des Bären und der Bär dreht sich um und ging.

Da kamen alle ängstlichen Tiere und sprachen: "Wie hast Du das gemacht?"
"Nun, das war nichts", sagte der Enterich bescheiden... "Indem ich mich darauf besann, dass die Größe keine Bedeutung hat, konnte ich den Bär besiegen, denn ihm war seine Größe wichtig. Ich nahm ihm seine Größe und seinen Glauben daran und da hatte er verloren."

"Können wir das auch?", fragten da die Tiere.

"Ja gewiss, ihr müsst lernen zu spüren, dass ihr keine Größe besitzt. Meditiert wie ihr als Berge den Himmel berührt oder als Kiesel in die kleinsten Erdspalten fallt."

So gründete Wu die berühmte Akademie der Waldfeefrucht und lehrte die Tiere die Größe zu wählen, die ihnen angemessen schien.

"Schöne Geschichte", sagte ich. "Und was lehrt sie mich?"
"Setz dich in diesen Sessel", sagte der alte Mann. Wir wurden beide wieder größer und ich setzte mich in den Sessel des Alten.

Augenblicklich wuchs ich zu einem Riesen. Vorsichtig ließ ich mich aus gewaltiger Höhe herab. Mir war übel. Der Alte griente und deutete auf beide Sessel.... "Wähle mein kleiner großer Schatz."

Er winkte mir zu und verschwand irgendwo unter den Sesseln.

4 comments:

Grey Owl Calluna said...

Hallo Ray!
Man könnte es auch in einem Satz sagen. Aber in eine schöne Geschichte verpackt ließt es sich besser und regt zum nachdenken an.
Liebe Grüße
Grey Owl

Anonymous said...

Hallo,

mir gefällt diese Geschichte. Sie erinnert mich an meine Zeit an der Uni. Damals habe ich anfangs Professoren für ganz besondere Menschen gehalten. Am Ende meines Studiums wusste ich es dann besser. Seitdem lasse ich mich von Titeln nicht mehr so sehr beeindrucken.

Dir einen schönen, besinnlichen ersten Advent und einen guten Start in die neue Woche,
Astraryllis.

Anonymous said...

Lieber Ray,

den beiden Damen kann ich mich nur anschließen: Eine wirklich schöne Geschichte. Ich staune jedesmal von Neuem, wo Du das nur alles her nimmst.

Schon beim ersten Teil musste ich die ganze Zeit an Herrn Tur Tur denken. Das ist ein „Scheinriese“, dem Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer auf ihren weiten Reisen treffen. Je weiter man von ihm entfernt ist, desto größer sieht er aus. Nur wer sich ganz nah an ihn heran wagt, erkennt, dass er genauso groß ist wie jeder normale Mensch. Weil sich das aber niemand traut, ist Herr Tur Tur sehr einsam.

Noch heute liebe ich alles, was Michael Ende geschrieben hat, vor allem natürliche "Momo".

Ich freue mich schon auf die nächste Geschichte, die Du aus dem Ärmel zauberst.

Liebe Grüße,
Jürgen

Anonymous said...

Lieber Ray,

was für eine schöne Geschichte. Wu der Enterich - solch ein schöner Name - da kommt mein kindliches Gemüt wieder durch.

Die Größe spielt keine Rolle. Und ich gehe noch weiter: auch die äußerliche Schönheit spielt keine Rolle, es sei denn, die innere passt genau dazu.

Viele liebe Sonnengrüße

Dori