Sunday, March 8, 2009

Das Mädchen, das immer weinte I von II


Es war einmal ein Mädchen, das war der einzige Schatz seiner Eltern. Die Mutter liebte ihre Tochter sehr und zog sie jeden Tag an wie eine kleine Prinzessin, mit prachtvollen Kleidern, die der Haut schmeichelten. Sie bürstete dem Kind täglich mit viel Liebe und Hingabe die langen Haare und sie wurde nicht müde, dem Kind ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Von Zeit zu Zeit seufzte sie jedoch und sagte, "Kind, eine Mutter zu sein ist Freude und Leid zugleich."

Der Vater liebte seine Tochte ebenfalls sehr. Er kümmerte sich weniger als die Mutter um das Aussehen des Mädchens. Vielmehr schenkte auch er ihr sehr viel Aufmerksamkeit und erfüllte ihr jeden Wunsch, indem er ihr kaufte, was immer sie begehrte, Puppen, Hunde, Vögel, Bücher.
So kam es, dass das Mädchen aufwuchs, ohne je das hässliche Gesicht des Mangels oder der Sorge kennen zu lernen, denn die Eltern dachten an alles und sorgten vor. In all ihrer Liebe zu ihrer einzigen Tochter fanden die Eheleute auch die Erfüllung ihrer eigenen Liebe. Wenn der Vater die Tochter sah, dann dachte er: 'Sie ist ein Teil meiner herzensguten Frau, die ich so sehr liebe..' Und der Mutter ging es genauso. Sah die Mutter ihre Tochter, dann dachte sie, 'Sie hat soviel von ihm, den ich so sehr liebe.'

Die Eltern hatten die besten Hauslehrer eingestellt, um ihre Tochter zu unterrichten und im Lauf der Jahre wuchs die junge Tochter zu einer jungen Frau heran, die bald schon das Haus der Eltern verlassen würde, um ein eigenes Leben zu führen.

Am 18 Geburtstag nahm der Mann seine Frau zur Seite und sprach. 'Liebe Frau, unsere Tochter ist mit dem heutigen Tage erwachsen. Wir haben ihr alles gegeben, was Eltern einer Tochter geben können, nun müssen wir ihr auch noch ein eigenes Leben schenken.'

"Ich denke ganz genauso", sprach sie und fasste fest seine Hand. "Lass uns mit unserer Tochter sprechen." Sie gingen zu ihrer Tochter, die in ihrem Zimmer war und dort in einem Buch las. "Tochter? Wir müssen mit Dir reden."

Die Tochter schaute kurz auf, verzog das Gesicht zu einer unwilligen Fratze. "Seht ihr denn nicht, das ich lese? Ich mag mich nicht mit euch unterhalten." Dann drehte sie sich um und kehrte den Eltern den Rücken zu.

Der Vater aber sprach weiter. "Liebe Tochter, Du bist jetzt erwachsen. Wir schenken dir mit dem heutigen Tage schweren Herzens die Freiheit des Erwachsenlebens." Die Tochter hatte sich zuvor bereits die Ohren zugehalten und so bekam sie auch nicht mit, als die Eltern beherzt begannen der Tochter die Koffer zu packen. Die Mutter schob die Koffer vor die Tür des Hauses und der Vater trug seine geliebte Tochte über die Schwelle des väterlichen Heims. Dann verriegelten sie die Tür und fingen an zu lächeln. "Geschafft, frei." Sie fielen sich in die Arme und jauchzten. Das Glück einer kinderlosen Liebe kam erneut über sie.

Als die Tochter ihr Buch durchgelesen hatte, wurde es langsam dunkel und sie bekam Hunger. Sie setzte sich auf und schaute sich um und sah, dass sie außerhalb des Hauses, vor der Tür war. Um sie herum waren Koffer.

Was mochte das für ein Spiel sein? Sie rief nach ihren Eltern und klingelte an der Tür, doch niemand öffnete die Tür. Verdrossen hämmerte sie schließlich mit Faust gegen die Tür um ihrem Unmut Nachdruck zu verleihen.

Da öffnete sich im ersten Stock ein Fenster und das Gesicht ihres Hauslehrers erschien.
"Ihre Eltern lassen Ihnen mitteilen, dass sie heute volljährig geworden sind und daher das Geschenk der Freiheit erhalten."

"Dann habe ich heute Geburtstag? Wo ist mein Geburtstagskuchen?", freudig hüpfte die Tochter auf und ab.

"Es wird keinen Kuchen heute geben", der Hauslehrer schaute betroffen und zuckte mit den Schultern. "Sie finden in den Koffern, was sie brauchen, um zurecht zu kommen." Das Fenster schloss sich.

Die junge Frau verstand, dass sie ausgesperrt war und begann zu weinen. Sie saß vor der Tür und weinte Stunde um Stunde. Schließlich stand sie auf ging unter das Fenster ihrer Eltern und sprach, "Jahrein jahraus, war ich Eure Tochter. Nie war ich allein und nie musste ich mich anstrengen, weil ihr bereits an alles gedacht hattet. Doch jetzt lasst ihr mich allein und keiner denkt mehr an mich? Warum liebe Eltern, warum habt ihr das nur getan? War ich keine gute Tochter, warum um alles in der Welt habt ihr nichts gesagt? Weil ihr glaubtet, es wäre mein Wunsch gewesen euch weh zu tun?" Doch es antwortete niemand-

Da kam ein junger Mann des Weges mit einem Pferdewagen gefahren und sah die junge Frau weinen. Er hielt seinen Wagen an und rief. "He, Du da. Was hast Du? Warum weinst Du?"
Doch die junge Frau antwortete nicht.

Der junge Mann stieg ab, ging zu ihr rüber und betrachtete all die Koffer. "So bist Du wohl eine Dienstmagd, die man auf die Straße geworfen hat? Wohlmöglich bist Du schwanger?"

Doch die junge Frau antwortete nicht. "Ich werde dich mit zu mir nehmen", sagte der junge Mann. Meine Mutter sucht eine Dienstmagd und du wirst ihr genauso recht sein wie jede andere, wenn du nur ordentlich anpackst."

Die junge Frau schluchzte weiter und gab keine Antwort. Da lud der Mann ihre Koffer auf seinen Wagen. Und schließlich trug er die junge Frau wie einen nassen Sack über der Schulter und setzte sie vorsichtig auf die Kutschbank neben sich. So fuhren sie Stunde um Stunde und die junge Frau hörte mit dem Weinen nicht auf, nur dass sie nicht mehr schluchzte und wimmerte sondern ihr Weinen war stumm geworden.

Schließlich bog der junge Mann in einen Bauerhof ein und eine harte weibliche Stimme begrüßte ihn. "Wo kommst du Nichtsnutz jetzt her? Hast Dir wieder Zeit gelassen?"

"Schaut", Frau Mutter", sagte der junge Mann. "Ich habe eine Dienstmagd aufgelesen. Die letzte ist euch doch fortgelaufen."

Die Mutter schaute mit großen Augen auf die junge Frau, sah dass sie weinte und sagte. "Die taugt bestimmt nichts, so wie die heult. Aber wenn Du sie schon mal mitgebracht hast, dann schaff sie in die Bodenkammer. Und Du - merk dir eines. Wer nicht arbeitet, der bekommt auch nichts zu essen."

Die junge Frau schien nicht zu bemerken, was um sie herum geschah und die resolute Mutter hatte sich bereits umgedreht und war fortgegangen.

So blieb die junge Frau als Magd bei den Bauern und sie lernte nach und nach alles, was sie als Magd brauchte. Sie molk die Kühe und weinte. Sie wusch die Wäsche und weinte. Sie ass still das Brot, dass sie gebacken hatte und weinte. Sie gab nie eine Antwort und dann und wann lief ihr eine Träne über die Wange.

Die Bäuerin interessierte es nicht, denn sie besaß ein Herz aus Stein und nur der junge Mann fragte sich, was wohl das Geheimnis hinter dem Weinen der jungen Frau sein mochte. Er hatte sein Leben lang von seiner Mutter nie ein liebes Wort gehört und er konnte sich erinnern, wie er in seiner Kindheit viel geweint hatte.

Doch die Tränen waren verschwunden, als er einmal seine Mutter gefragt hatte, "Mutter liebt ihr mich?" Die Mutter hatte ihm einen festen Blick geschenkt und erwidert, "Liebe - was ist das? Wer nicht arbeitet bekommt nichts zu essen. Du bekommst zu essen und hast Arbeit, das ist alles was Du von Deiner Mutter je erwarten kannst. Und merke Dir eins, ich habe dich nicht gerufen in mein Leben zu treten, jetzt blase dich nicht auf, mir irgendwelche Wünsche vorzutragen." Dann hatte sich die Mutter umgedreht und war gegangen. 'Arbeiten, Essen', hatte er gedacht.

Eines Tages kam der junge Mann wieder an dem Haus der Eltern der jungen Frau vorbei. Er stoppte den Wagen und klopfte an die Pforte. Ihm öffnete die Mutter und er fragte, "Gute Frau, warum habt ihr einst eure Magd aus dem Haus geworfen?"

"Nein, eine Dienstmagd haben wir nie gehabt, obwohl ich in ein Alter komme, in dem ich ein Magd gut gebrauchen könnte. Wir haben eine Tochter, die wir über alles geliebt haben, aber sie verliess uns mit ihrer Volljährigkeit. Wir hatten ihr alles gegeben und konnten ihr nur noch eins geben - die Freiheit."

"Eure Tochter ist jetzt bei mir", sagte der junge Mann.
"Mag sie sein, wo sie sein möchte. Wen kümmert es? Mich nicht", sagte die Mutter schnippisch. "Wir haben ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen, aber sie hat es uns nicht mit Liebe gedankt. Jahraus jahrein, wurde sie mürrischer und unleidlicher. Da habe ich meine Tochter einmal gefragt, ob sie mich liebt?"

"Lieben, sicher liebe ich euch."

"Und warum?", habe ich gefragt

"Weil, weil... und dann hat sie lange überlegt, weil ihr mir stets gebt, was ich haben möchte?"

"Und wenn ich etwas von Dir wollte, würdest du liebe Tochter es mir geben?"

"Nein, denn ich habe nichts außer dem, was ihr mir gebt. Was sollte ich euch geben können?"
"Sie liebte mich nicht, denn sie wollte mir nichts zurückgeben. Mag sie sein, wo sie ist - es ist mir egal. Als Mutter habe ich meine Pflicht erfüllt." Sie wandte den Blick vom jungen Mann ab und schloss die Tür.

Am nächsten Tag nahm der junge Mann die junge Frau an die Hand. "Ich weiß was Du willst. Du möchtest Deine geliebten Eltern wieder haben und ich habe einen Plan. Wir werden heiraten. Und pass mal auf...."

3 comments:

Hexe said...

Wie traurig und dennoch stimmt es.

Kessi said...

...ich bin auf die Fortsetzung gespannt!!!

Anonymous said...

mal sehen, wie es weiter geht ...???