Tuesday, June 16, 2009

Wieder mal alt und weise...

Früchte in den Fängen des Alters

Er hatte das Alter geschmeckt. Eines Abends im Sommer saß er an einem kleinen Feuer und verharrte mit seinem Geist im Licht.

Urplötzlich hatte sich das Alter an ihn herangeschlichen und ihn in die Seite gezwickt. Nicht unverschämt, doch nachdrücklich hatte das Alter mit seinem dürren Finger seine Seite berührt und im ersten Augenblick, fuhr der Atem aus seinem Brustkorb.

"Muss es denn immer Licht sein? Muss es denn immer Liebe sein? Ein Geheimnis nach dem anderern erkennen ohne Ende, denn die Welt des Lichtes ist unerschöpflich?". So saß der weise Mann da und zweifelte an dem Sinn der Reise.

Schlagartig wurde sein Geist dunkel und er sah dem Feuer zu bis es erstarb.

Die Tage gingen ins Land, aber er verspürte keine Sehnsucht mehr nach dem Licht. "Es macht keinen Unterschied ob der Himmel hell oder dunkel ist, wenn ich doch nur älter und älter werde", sprach er zu sich.

Der Geist des Mannes war die Dunkelheit nicht gewohnt. Zuerst hatte er angenommen, dass die Dunkelheit vorübergehend wäre, als sie aber andauerte, ging er nach dem Rechten schauen. Er sah, dass der Mann eine Mütze über dem Kopf trug, den Schleier des Alters.

Ich muss ihn warnen, sagte sich der Geist.

Am ersten Tag träumte der Mann, er wäre erneut geboren worden. Doch das Alter kam kurz darauf und drückte ihm seinen dürren Finger in die Seite.

Am zweiten Tag träumte der Mann, er habe Besuch von einer guten Fee gehabt, die ihn auf eine Reise eingeladen hätte. Neugierig und munter war er aus dem Bett gekrochen. Doch das Alter kam kurz darauf und drückte ihm seinen dürren Finger in die Seite.

Am dritten Tag träumte der Mann er säße auf einer Insel, die langsam in die Ferne entschwand, während er auf dem Festland bleiben wollte. Als das Alter seinen dürren Finger dem Mann wieder in die Seite drücken wollte, da holte der Mann tief Luft. Er zog sich die Mütze im Geiste vom Kopf. "Jeden Tag, wenn ich aufwache, werde ich neugeboren. Eine neue wunderbare Reise liegt vor mir. Diese Reise bringt mich nicht fort von meinem Leben, sie führt mitten hinein. Geh weiter."

Das Alter schlich davon...Es hatte noch viele Mützen dabei.

2 comments:

Dori said...

Das ist eine sehr schöne Geschichte, lieber Rainer.

Wie schön, dass es so viele und unterschiedliche Mützen gibt.

Allerliebste Sonnengrüße
Dori :-)

Grey Owl Calluna said...

Lieber Ray!
Das ist wirklich eine wunderbare Geschichte.
Weißt Du, jetzt gehe ich auch besser abends in den Schlaf, und denke nicht immer gleich wieder an den nächsten Tag und das, was ich zu erledigen habe. Ich warte ab, was in der Nacht passiert, um dann am Morgen wieder aufzuwachen, um zu sehen, wie´s dann hier weiter geht. Ich kann mich also zwei mal am Tag freuen, auf´s Wachsein und auf´s Schlafen.
Ganz liebe Grüße
Grey Owl