Sunday, January 2, 2011

Es war einmal

Es war einmal ein armer Mann, dem das Schicksal schwer mitgespielt hatte. Seine Frau hatte ihn verlassen. Seine Kinder hassten ihn. Er hatte sich dem Trunk ergeben, seine Arbeitsstelle verloren und er hatte das Gefühl, dass sein Leben sinnlos und leer war. Nirgends gab es einen Menschen, der an seinem Schicksal Anteil nahm.

So war er obdachlos geworden und wanderte von Stadt zu Stadt, unfähig mit seinem Leben klarzukommen, außer einfach da zu sein und auf die Gelegenheiten zu warten, dass er Essen, Alkohol und Unterkunft fand. Eines Tages fand er in einem Mülleimer, den er auf der Suche nach Essbarem durchwühlte, ein kleines miauendes Bündel.

Er fasste es verwundert und packte es vorsichtig aus und entdeckte ein Kätzchen, dessen Augen noch geschlossen waren und dass Menschen wohl weggeworfen hatten, denen das Leben eines Tieres nichts bedeutete. Dem Mann stiegen die Tränen in die Augen. Dieses kleine Lebewesen war von den Menschen ausgestoßen und weggeworfen worden - genau wie er. Er fühlte sich ihm gleich. Er wollte für das Kätzchen sorgen.

So begann seine Zeit als obdachlose Katzenmutter. Er besorgte sich einen Karton, Milch und warmen weichen Stoff, um es dem Baby behaglich zu machen. So verging die Zeit und aus dem Kätzchen wurde ein Gefährte, der dem Obdachlosen auf seinen Wanderungen folgte. Eine glückliche Zeit für beide. Doch dann war die Katze von einem Tag auf den anderen fort und der Mann war wieder ganz allein. An diesem Tag wollte ihm sein Wein nicht schmecken. Tagelang suchte er seine Katze, aber er fand sie nicht mehr.

In seinen Träumen durchsuchte er immer wieder Mülleimer und fand kleine miauende Bündel. Aber immer wenn er  Bündel auspacken wollte, wurden sie größer und brummten böse und gemein. Schließlich gelang es ihm im Traum ein Paket auszupacken und er fand sich darin. Zu seiner Überraschung blickte er auf sich, wie er sich um viele Katzen kümmerte, wie er in einem Haus lebte, das viele Katzen beherbergte.

Dann packte er weitere Bündel aus. Immer wieder sah er sich. Er, der in Südfrankreich lebte und Schränke baute. Er, der in Leningrad deutsche Touristen führte. Viele Pakete fand er und allen gemeinsam war, das sie fortgeworfen waren.

Als er wach wurde, warf er seine Weinflasche an die Wand. Er ging in das nächste Kaufhaus, stibitze einen Nassrasierer neue Kleidung und verwandelte sich in einen unauffälligen ansehbaren Menschen zurück. Als er aus dem Kaufhaus trat, verwandelt, da lief ihm eine Katze um die Beine. Liebevoll hob er die Katze auf. "Danke", sagte er, küsste das Tier und stellte es vorsichtig auf den Boden zurück. Dann verschwand er, wie eine Katze in der Nacht.

8 comments:

AnnaFelicitas said...

Eine mutmachende und wunderschöne Geschichte, die ich mit großem Vergnügen gelesen habe. Danke!

Alles Liebe
Anna

Unknown said...

Hallöle,

wie wunderbar. Danke!

GlG
Ahmsayama

Grey Owl Calluna said...

Was gelernt,...würde ich sagen....oder,...sogar sehr viel gelert!
Danke lieber Ray für diese wunderbare Geschichte.
Liebe Grüße
Grey Owl

Anonymous said...

Hallo Ray
wieder eine gelungene Geschichte von Dir mit viel Tiefgang und Wahrheiten so klar erzählt - Danke
Liebe Grüsse Erwin (zentao )

Ray Gratzner said...

Lieber zentao,

herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Ich wünsche Dir eine gesunde und schaffensfrohe Woche.

Liebe Grüße Rainer

Ray Gratzner said...

Liebe Grey Owl,

vielen Dank für Deinen Vorbeiflug. Möge der Geist der Eulen Dir in dieser Woche lautlos seine Weisheiten schenken... Liebe Grüße, Rainer

Ray Gratzner said...

Lieber ahimsayama, danke für den Blick vom magischen Theater und ich hoffe, dass es allen Wölfen gut geht, im Winter wird manchmal das Futter knapp.

Liebe Grüße Rainer

Ray Gratzner said...

Liebe Anna Felictas,

Dir als aufrechter Katzenliebhaberin, wünsche ich verschmuste und verschnurrte Tage mit viele haarigen Schönheiten.

Liebe Grüße Rainer