Sunday, November 2, 2008
Der Abgrund
Ein kurzer Blick über den Wegesrand genügte. Diese Schlucht ging einige hundert Meter in die Tiefe. Schrecklich. Martin spürte sein Herz klopfen und gleichzeitig breitete sich der Schmerz in seiner Brust aus. Gerade eben hatte er den Anruf auf seinem Cellphone erhalten. Die Liebe seines Lebens wollte fortgehen - heim. Sie kam aus einem anderen Land und es war unklar ob er sie jemals wieder sehen würde.
Martin lugte über den Rand und blickte auf den verwitterten Baumstamm, der die Schlucht überspannte. "wenn ich hier herunterfalle, dann werde ich Laura auch ein Leben lang nicht wiedersehen." Martin spürte seine Höhenangst in den weich werdenden Knien. Er setzte sich.
"Zurück gehen kann ich nicht, denn dann wird Laura bereits gefahren sein. Einen anderen Weg laufen der ungefährlich ist, ist keine Lösung. Ich bin dann auch zu spät. Es gibt nur eins. Ich muss über diesen Baum und ich muss es bald tun oder sie wird fort sein."
Martin erhob sich und ging mutig mit schnellen Schritten voran. Ein Marienkäfer flog an ihm vorbei. Martin bemerkte ihn nicht, denn sein Blick hing auf der sicheren anderen Seite der Schlucht, das seine Rettung sein würde.
Da klingelte sein Cellphone. Unwillkürlich blickte er hinab zur Hose und sah in den gähnenden Abgrund. Die Knie wurden weich. Martin zerrte das Cellphone aus der Hosentasche und drückte den Knopf. "Ich werde Hilfe rufen können", dachte er, als er wie in Zeitlupe sich selber vom Baum rutschen sah.
Während er Fahrt aufnahm, dem Boden entgegen, dachte er, "Was soll's, jetzt kann ich in Ruhe telefonieren."
"Martin."
"Ja."
"Laura?", sein Herz freute sich, sie war es.
"Ich wollte Dir Bescheid sagen, dass ich bleibe. Freust Du dich?"
Martins Tränen wurden vom Flugwind in die Haare gedrückt. Er nickte und spürte den Widerstand des Windes. "Ja Laura - Ich freue mich, als wäre es das letzte Mal auf Erden."
Der Boden kam näher und der Fahrtwind ließ seine Hosen so flattern, dass es wie ein rhythmisches Klopfen klang.
" Du klingst deprimiert. Ist alles in Ordnung Martin? Manchmal musst Du dem Leben nur vertrauen und Dich fallen lassen."
Martin schlug auf und fand sich auf dem Hotelboden wieder. Es klopfte ungeduldig an der Tür. Verdattert ging Martin zur Tür und öffnete sie. Laura stand da.
Laura stutzte, übersah dann geflissentlich die sparsame Bekleidung Martins. "Martin, daheim ist etwas passiert. ich muss nach Hause."
Martin fiel ein, dass er gerade für diese Frau gestorben war. "Ich liebe Dich", rief er ihr zu. "Ich liebe Dich. Ich liebe Dich." Er lachte und schluckte. "...liebe Dich", flüsterte er.
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Lieber Leser, und was antwortet Laura?
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11 comments:
weil ich der romantische Typ bin, lasse ich sie antworten "ich liebe Dich auch!"
Es gibt nur eine Antwort; Ich liebe Dich auch und ich komme so schnell es geht zu Dir zurück.
Liebe Grüse zentao
Ich wünsche ihm, dass sie sagt: "Ich komme wieder, vertrau mir." Aber leider ist das Leben so nicht. Wahrscheinlicher wird sie sagen: "Mach nicht so ein Theater, ich habe dir nie etwas versprochen, und du hast doch die ganze Zeit gewusst, dass ich nicht für immer bleibe."
Andererseits könnte es auch eine etwas mystische Geschichte sein, in dem Fall würde sie antworten: "Mein Mann/Freund hatte einen Unfall, er ist in eine Schlucht gestürzt ..."
Gespannt auf die Auflösung - Judith
Lieber Ray,
ein schönes Gedankenspiel. Ich versuche mich mal ein wenig in Laura hinein zu versetzen...
also: meine Laura sieht (bemerkt), dass Martin sie jetzt ganz dringend braucht...und verschiebt ihre Abreise um ein paar Stunden.
Dafür braucht sie keine großen Worte.
...und ich sag auch nur leise servus und liebe Grüße aus dem Isartal,
besser und besser,
Gaba
Es ist wie im Märchen. Jeder fiebert bei dieser Geschichte mit und wünscht, dass sie sagt:
Ich liebe Dich auch.
ich liebe DICH! ...was sonst ;-)
liebe grüsse
jrene
Oh, ist das eine wunderschöne Geschichte... Was ist Wirklichkeit, was ist Traum? Ist Martin geflogen? Gesprungen? Hat er etwas gewagt im Traum? Würde er es im wirklichen Leben auch tun?
Wenn ich Laura wäre, würde ich mir Zeit nehmen, um mit ihm zu reden - natürlich wünsche auch ich mir, dass Laura sagt: "Ich liebe dich auch!" Aber auch ich habe die Erfahrung gemacht, mehrmals, dass es das im wirklichen Leben nicht spielt... und so träume ich weiter...
Herz-lichst Elisabeth
....sie lächelt,....und denkt drüber nach,....was er gesagt hat,....und wie ihre Gefühle zu ihm sind, oder sein könnten....
Und vielleicht.....wird´s doch noch was mit den Beiden......und es ist völlig unnötig für einen Anderen zu sterben,...wollte ich noch sagen, wenn er nicht gerade in wirklich großer Gefahr ist, wo man vielleicht sein eigenes Leben einsetzt um ihn zu retten.
Liebe Grüße
Grey Owl
Lieber Ray,
muss ich mir die Antwort selbst ausdenken? Ich dachte die ganze Zeit, dies sei eine Deiner Fortsetzungsgeschichten :-)
Sonnige Abendgrüße
Dori :-)
Liebe schocan, Liebe begegnet Dir auch Schritt und Tritt, du lebst in wahrem Reichtum... LG Rainer
Lieber zentao, Deine Liebe scheint gerade und direkt, der kreisende Pfeil.... LG Rainer
Liebe judith, eine Auflösung gibt es nicht....Liebe ist scheu, sie rankt sich vorsichtig von Licht zu Licht und ist so stark und ausdauernd...und offen für Geheimnisse... LG Rainer
Liebe gaba, helfen und heilen wo Not ist, eine mutige praktische Liebe, die den Moment ergreift.... LG Rainer
Liebe barbara, die Hoffnung, das sehnende Begleiten - Mitfühlen.... Mitklingen LG Rainer
Liebe jrene, Amors Pfeil kennt nur eine Richtung, den kürzesten Weg, kraftvoll und verwegen... LG Rainer
Liebe trinergy, liebende Worte und Fragen bereiten das liebende Nest. Klarheit Verständnis und Güte fangen den Schatz... LG Rainer
Liebe grye owl, die Liebe soll geborgen, behütet sein. Was wertvoll ist, darf nicht gefährdet werden... LG Rainer
Liebe Dori, wenn die Sonne sich senkt hörst Du anderen zu, du kennst die Liebe....LG Rainer
Wow, lieber Rainer,
in deinen Antworten liegen wahre Schätze!!! Danke dir dafür, du Schatz, du!
♥-lichst Elisabeth
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