Sunday, November 9, 2008

Schrumpfherz

Der Mensch mag tun und leiden, was es auch sei, er besitzt immer und unveräußerlich die göttliche Würde. Christian Morgenstern


Da sitzt ein Landstreicher am Wegesrand. Er bittet um Geld. Manche Bürger machen einen Bogen um ihn.

Ist sein Leben weniger wert, als dass der Menschen, die Geld verdienen.
Sind seine Träume für die Menschheit weniger wichtig?
Gibt es Leben, die mehr wert sind als andere?

Waren unsere Vorfahren vor mehreren tausenden Jahren nicht auch ohne Arbeit und festen Wohnsitz? Waren sie weniger wert, als diejenigen von uns, die in einem Haus wohnen?

Ist es vielleicht Furcht? Furcht, die Armut könnte auf uns überspringen wie ein Virus? Furcht, die paar Cents, die wir geben, würden uns zwingen uns einzuschränken? Wohl kaum.

Zu kleines Herz, Schrumpfherz.

Doch Gott sei Dank lässt sich ein Herz trainieren. Welche Übungen fielen Dir ein?

9 comments:

Anonymous said...

Lieber Rainer,

was macht den Wert eines Menschen aus? Das ist eine Frage, über die wir stundenlang philosophieren könnten.

Was allerdings die Obdachlosen betrifft, kann ich Dir aus eigener Erfahrung sagen, dass sehr viele von ihnen mir persönlich mehr gegeben haben als so mancher "reiche" Mensch.

Ich arbeite hin und wieder ehrenamtlich in der "Pflasterstub'" in Freiburg ( http://www.caritas-freiburg.de/ref40/pflaster.htm ). Von Mitte September bis Mitte Oktober 2008 habe ich dort sogar ein 4-wöchiges Praktikum absolviert.

Die Begegnungen und zum Teil sehr tiefen Gespräche sind für mich jedes Mal eine große Bereicherung. Einer meiner Sprüche lautet: "Es glänzt nicht alles, was Gold ist." Und gerade im Umgang mit diesen Menschen bestätigt er sich immer wieder aufs Neue.

Je mehr ich mich mit ihnen beschäftige und nach und nach ihr Vertrauen gewinne, desto mehr Perlen finde ich. Und wenn ich dann auch noch helfen kann, um so besser.

Sogar Freundschaften haben sich daraus schon entwickelt. Ein ehemaliger Ingenieur, der intensiv den "Kurs in Wundern" studiert hat, ist heute auf der Straße unterwegs, um die gewonnenen Erkenntnisse konsequent zu leben. Solch ein Gottvertrauen habe ich selten irgendwo gefunden. Und dann ist da die Frau, die einfach leben will, damit andere einfach leben können. Sie testet zurzeit aus, mit wie wenig sie auskommen kann.

Eine große Freude ist es auch zu sehen, wie engagiert die Bürger von Freiburg sind. Jeden Tag treffen Sach- und Geldspenden ein. Jeden Tag kommen ehrenamtliche Helfer und versorgen die Gäste mit Frühstück und Verständnis.

Wenn einer Deiner Leser sein Herz "trainieren" will und wahrhaft wertvolle Menschen kennenlernen möchte, kann ich ihr/ihm so eine "Arbeit" nur empfehlen. Und man bekommt weit mehr zurück als man gibt!

Ich wünsche Dir einen schönen Tag!

Herzliche Grüße,
Jürgen

Anonymous said...

Du lieber Rainer,
unser Verein geht auch in Schulen, wo bereits Kinder durch die Zusammenarbeit mit ROTE NASEN Clowndoctors lernen, dass Helfen Spaß machen und Freude bereiten kann und dass es so einfach ist, Gutes zu tun. Es ist unglaublich zu sehen, wie sich die Kinder bemühen, möglichst viel Lachen in die Spitäler zu bringen. Sie malen Weihnachtskarten und organisieren Weihnachtsbuffets zu unseren Gunsten - und erhalten dann eine Urkunde, auf der vermerkt wird, was sie mit ihrer Spende bewirken konnten.
Helfen macht froh und beschenkt denjenigen reich, der gibt. Wenn das nur mehr Menschen wüssten...
Liebste Grüße von Elisabeth

Anonymous said...

Guten Tag Ray

Das nächste Mal dem Bettelnden, Bittenden etwas geben, ihm in die Augen sehen und alles Gute wünschen. Falls ich daran glaube ein Gebet für ihn sprechen oder eine Vision der Fülle für ihn kreieren.
Lieben Gruss und gute Woche
Elfe

Anonymous said...

@elfe

Du bringst es auf den Punkt. Gerade dieses "ihm in die Augen sehen" ist etwas, was diese Menschen selten erfahren. Dabei ist es wichtig, behutsam auf sie oder ihn zuzugehen, denn auch Nähe muss gelernt sein, und viele (auch von uns) kennen sie kaum noch. Es ist wie beim Kleinen Prinzen und dem Fuchs. Es braucht Geduld. Aber wenn wir das Herz eines Menschen berühren und sein Vertrauen gewinnen, dann hat es sich für beide gelohnt. Es ist so wichtig, jedem von Mensch zu Mensch zu begegnen, am Martinstag und an jedem anderen Tag unseres Lebens.

Gruß,
Jürgen

Anonymous said...

Kennst du das Buch:
"Das unpersönliche Leben" ?
Je mehr wir lernen unsere Persönlichkeit nicht mehr in den Vordergrund zu stellen, um so mehr fühlen wir uns mit jedem Menschen gleich.
LG
Barbara

Anonymous said...

@ Lover-Of-Life

Weißt Du, ob Obdachlose so etwas wie Sozialhilfe beziehen? Ich denke mir immer, sie bekommen doch bestimmt schon eine finanzielle Unterstützung. Stimmt das oder ist das ein Vorurteil?

@ Ahora
Von wem ist dieses Buch?

Anonymous said...

Liebe Astraryllis,

in gewisser Weise hast Du schon recht. Jedem deutschen Bundesbürger steht generell eine Grundsicherung zu, wenn er arbeitsuchend, wohnungslos und/oder erwerbsunfähig ist (ich hoffe, diese Aussage ist juristisch korrekt). Rein theoretisch kann in unserem Land glücklicherweise jede und jeder genug zu essen, einigermaßen vernünftige Kleidung und ein warmes Bett haben, in das er sich abends legen kann. Auch eine medizinische Grundversorgung ist gesichert, wenn auch nicht mehr in dem Maße wie früher. Und weiterbilden kann man sich auch kostenlos, in öffentlichen Bibliotheken zum Beispiel. Es gibt Möglichkeiten genug, wenn man sie - im doppelten Sinne - wahrnimmt!

In der Praxis sieht das Ganze dann - wie so oft - ganz anders aus. Auch im kommenden Winter werden wieder einige Menschen auf Deutschlands Straßen erfrieren. Die einzelnen Fälle liegen dabei sehr unterschiedlich. Menschen, die diesen Weg bewusst gewählt haben, um frei und unabhängig zu sein, verzichten konsequenterweise auch auf staatliche Unterstützung (die ja auch immer mit Kontrolle verbunden ist). Das sind aber die Wenigsten. Auch viele Ausländer gibt es, die "auf der Durchreise" in unserem schönen Land hängengeblieben sind und sich hier wohl und zuhause fühlen. Sie haben aber keinerlei Ansprüche auf finanzielle oder sonstige Hilfe. Bei einem Großteil trifft wohl das zu, was die Leiterin der "Pflasterstub'" einmal so ausdrückte: "Sie können gar nicht mehr wollen." Das heißt, die Hilfe wäre zwar da, aber diese Menschen sind gar nicht mehr fähig, sie in Anspruch zu nehmen. Ihnen fehlt der innere Antrieb oder sie kommen in einem "normalen" Umfeld ohne Betreuung gar nicht mehr zurecht oder, oder, oder ... Und das kann ich leicht nachvollziehen, wenn ich bedenke, welch eine hohe Schwelle allein schon zu überwinden ist, wenn man aus "geordneten" Verhältnissen kommt und plötzlich "Hartz IV" oder Grundsicherung beantragen muss.

Gerade da ist es wichtig, dass es sogenannte Wärmestuben gibt, in denen diese Menschen ohne Ansehen der Person persönliche und medizinische Hilfe bekommen, ohne einen langen Behördenweg zu gehen.

Beim persönlichen Kontakt mit diesen Menschen geht es aber gar nicht so sehr um den Euro, den man ihnen gibt. (Übrigens kann man auch in jeder Stadt kostenlos Hundefutter bekommen. Es gibt also auch keinen Grund, aus Mitleid mit dem armen Tier etwas zu spenden). Es geht mehr um die Begegnung, um das Annehmen dieses Menschen als das, was er unter seiner Schale eben ist: ein Mensch wie Du und ich. Und - wie gesagt - oft ein weitaus wertvollerer, als es den Anschein hat. Doch wie sollen diese Menschen ihren eigenen Wert erkennen, wenn sie den Eindruck gewinnen, dass sie es nicht einmal wert sind, dass man sie ansieht und mit ihnen spricht? Armut ist nicht ansteckend! Freundlichkeit, Mitmenschlichkeit, Lebensfreude, Akzeptanz und Selbstachtung dagegen schon!!

Ganz davon abgesehen, ist die finanzielle Unterstützung mittlerweile dank einiger Reformen nicht mehr wirklich üppig. Und da die meisten ein Suchtproblem und/oder Schulden haben, ist das Geld vom Staat oft schneller weg, als man gucken kann (das geht ja sogar mir so). Du wirst einen Alkohol- oder Drogenabhängigen nicht wirklich daran hindern, sich seinen Stoff zu besorgen, indem Du ihm kein Geld gibst. Für den Entzug muss er bereit sein. Dann gibt es geeignete Therapien, die unter gewissen Voraussetzungen auch vom Staat übernommen werden. Aber Du hilfst ihm vielleicht, seinen Bedarf zu decken, ohne kriminell zu werden. Und Dir selbst tut das Geben ja auch sehr gut! - Und wenn eine Vertrauensbasis geschaffen ist, gelingt es vielleicht sogar, "Hilfe zur Selbsthilfe" anzubieten. Das Leben auf der Straße ist wohl eine der härtesten Lebensweisen. Und wer das bewältigt, hat ganz bestimmt verborgene Talente, über die Du staunen würdest. Und jede Fähigkeit ist für irgendetwas gut. Lass Deiner Fantasie einfach freien Lauf, was da alles möglich ist.

Das sind nur einige Gedanken zu einem sehr komplexen Thema, und ich bin auch nur Laie. Wenn es Dich näher interessiert, dann besuche doch mal einen Wohnungslosentreff in Deiner Nähe. Die dort zuständigen Sozialarbeiter und vor allem die anwesenden Gäste erzählen Dir sicher gerne etwas über ihre Erfahrungen. Und wer weiß, vielleicht steht dann in Deinem Profil nicht mehr "Nur"-Hausfrau, sondern "Licht-Bringerin".

Alles Liebe,
Jürgen

@Rainer,
Sodele, Dein Webspace gehört wieder Dir. ;-) Danke, für dieses wichtige Thema!

Anonymous said...

Hallo Ray,

"Das unpersönliche Leben" von Joseph.S.Benner.
Amazon.de
Dieses Buch scheint im Moment ein Renner zu sein.
Ich habe es vor 18 Jahren irgendwo gefunden. Es hat mich immer begleitet und ich habe es schon mehrere Male gelesen. An seinen Aussagen hat sich für mich bis heute nichts geändert.

Du hast ja im Moment wenig Zeit. Das Buch hat nur 120 Seiten ;-)

Gruß
Barbara

Anonymous said...

Hallo Rainer,
mein Herz ist sehr groß!
Ich teile viel und gerne, allerdings mit Bedacht.

Selten lege ich Geld ins "Körbchen" sondern stelle mal einen Kaffee hin, oder kaufe einem armen instrumentalisiertem Kind ein kleines Geschenk.

Gruß, Martina