Monday, May 18, 2009

Ein Mann beklagt seine Frau...


In 'Der Ackermann' lässt Johannes von Tepl einen Bauern den Tod anklagen, weil der ihm seine Frau geraubt hat. Mich fasziniert die schmerzvolle Klage aus dem 15ten Jahrhundert, die ebenso jeden Tag überall geführt werden kann...

" Haßerfüllt, widerborstig und widerstrebend werde ich Euch gegenüber immer sein [gemeint ist der Tod], denn ihr habt mir den zwölften Buchstaben, meiner Freuden Hort, aus dem Alphabet grausamst herausgerissen, Ihr habt meines Glückes helle Sonnenblume mir aus meines Herzens Anger schmerzlich ausgejätet, Ihr habt mir meines Heils Anker, meine auserwählte Turteltaube arglistig entwendet, Ihr habt nicht wieder gut zu machenden Raub an mir begangen....
Von Euch bin ich eines freudenreichen Daseins beraubt, eines Tag für Tag erfüllten Lebens enteignet, und allen beglückenden Ertrags verlustig gemacht worden. Froh und munter war ich früher zu jeder Stunde, kurz und angenehm waren mir allezeit Tag und Nacht, beide freuden- und genußreich in gleichem Maß; ein jedes Jahr war mir ein gnadenreiches Jahr. Nun heisst es: Kratz ab! Bei trübem Trank, auf dürrem Ast, betrübt finster und zerstört sieche dahin und heule ohne Unterlaß! So jagt mich der Wind, ich treibe durch die wilden Fluten Meeres Fluten, die Sturzseen haben überhand genommen, mein Anker hält nirgends. Drum will ich ohne Ende schreien: Ihr Tod, Euch sei geflucht!"


Reclam Verlag

Sollte jeder mal gelesen haben...Jaja...Liebe Grüße

3 comments:

Kessi said...

Huuuh....das ist ja eine "wilde" Lektüre =). Kannte ich noch nicht. Aber er hat den Schmerz wirklich sehr gut beschrieben, ja fast herausgeschrieen.... Hoffe, dass keiner von Euch einen solchen erleben muss, püh...

Alles Liebe und einen guten Start in die neue Woche - Kessi :- )

Ray Gratzner said...

Liebe Kessi, da kann ich Dir nur beipflichten... Wenn man das alte Deutsch verstehen kann, dann erschließt sich noch mehr Schönheit im Text, als in der Übertragung ins Hochdeutsche...LG Rainer

vivi said...

Über 500 Jahre.....
Aber von einem Autor, richtig?
Ich hab mir nur überlegt, ob er das nachfühlen konnte, vielleicht selbst erlebt, oder ob das .....
Es ist zweifelsohne ein ergreifender Text, aber - irgendwie so "glatt".

Ich frage mich, wie vor 500 Jahren ein Bauer wirklich fühlte, dem die Frau starb.....