Sunday, November 14, 2010

Gutes Kind, böses Kind


Eines Tages traf ich einen jungen Mann von vielleicht drei Jahren. Er besaß einen indignierten Gang, Sommersprossen und rote Haare sowie einen Babyspeckansatz, der sich im Laufe der Jahrzehnte von seiner weichen Seite zu einem dicken Bauch entwickeln sollte.

Seine Eltern, ein paar hochstaplerischer Lehrer, die nie im Leben ein Lehrerstudium abgelegt hatten, hatten ihrem Kind stets versichert, etwas Besonderes zu sein. Nach diesen steten Versicherungen ergab sich der Vater für gewöhnlich seiner Trunksucht und die Mutter dem Lesen aller Bestseller auf der Spiegelliste, sodass der Dreijährige eigentlich allein mit der Putzfrau auf der Welt geblieben wäre, wenn er da nicht noch einen Bruder gehabt hätte, der ihm glich wie ein Ei dem Anderen. Beide trugen hübsche wunderbare Hornbrillen, die den jungen Männern eine Atmosphäre skurriler schöpferischer Fehlgriffe gaben. Das Ensemble zusammen war so ungewöhnlich, dass es auf eine eigenartige Weise wieder anziehend war. Eine Art Glutamat der Hässlichkeit, die auf ihre Art, den Betrachter reizte mehr und mehr sehen zu wollen, obwohl alle Details für sich Abscheu erzeugten.

Im Sandkasten wurde sie geprügelt und bespuckt. Auf der Schule wurden sie wegen ihrer Eltern bevorzugt und gelobt. Für alle Anfeindungen im Sandkasten konnten sie sich rächen, weil nun Mama und Papa (die Lehrer) das Gesetz in der Schule waren.
Auf dem Gymnasium wurden sie wieder geprügelt und bespuckt. Sie machten ein ärmliches Abitur und studierten lange und wurden nie richtig fertig.

Frauen, die sich für die Zwillinge interessierten, waren in der Regel gefallene, gebrochene Frauen, die vom Leben nichts mehr erwarteten und denen der Anblick von Hornbrillen und Sommersprossen nichts mehr ausmachten. Der eine Zwilling gab sie wie der Vater dem Alkohol hin, der Andere wie seine Mutter dem Lesen.

Sie lebten ihr Leben und konnten die Welt nicht lieben, die sie um die Größe und Großartigkeit betrog, von denen Mama und Papa stets gesprochen hatten. Sie starben entgleist und verbittert, glatzköpfig aber mit Sommersprossen und Hornbrillen. In ihren letzten Jahren lebten sie von der Kraft Anderer, die alle Menschen für gleich hielten, auch wenn sie arm und dumm geboren waren.

Die Zwillinge gingen an vielem vorbei, doch das Licht in anderen konnten sie nicht sehen, weil Mama und Papa die Lüge im Herzen und auf den Zungen trugen.

Sei kein gutes Kind, wenn du belogen wirst. Folge dem Licht, wann immer es zu Dir kommt.


7 comments:

Paderkroete said...

und wann wussten die beiden um die Lebenslüger ihrer Eltern? Nie vermutlich!

Kessi said...

Liebe Grüße aus München, war schon lange nicht mehr hier! :)

Tina said...

Also diese Geschichte finde ich irritierend. Du trafst ihn im Alter von drei und jetzt sind sie tot und du lebst als Erzähler immer noch?

und waren die Lehrer nun Lehrer oder nicht?

Sie lebten ihr Leben und konnten die Welt nicht lieben, die sie um die Größe und Großartigkeit betrog, von denen Mama und Papa stets gesprochen hatten >> das verstehe ich auch nicht so wirklich....warum konnten sie die Welt nicht lieben und warum war denn die Welt nicht großartig für sie? vielleicht weil sie sie nicht lieben konnten... aber warum??? Welche Lüge trugen denn Mama und Papa im Herzen? wieso sind sie arm und dumm geboren?

Also... ich finde keinen richtigen Zugang zu der Geschichte und kann mich da gar nicht einfühlen leider.

LG Tina

Tina said...

Toll. Nun hab ich schon mal Gelegenheit den Autor zu kontaktieren und bleibe doch ratlos *lach.

LG Tina

Ray Gratzner said...

Liebe Paderkroete,

die Lebenslüge Ihrer Eltern war den Beiden eigentlich immer gegenwärtig, aber die Familie war ganz daruf eingestellt, ständig zu lügen. Jeder hat jeden angelogen und dieses Verhalten legten die Zwei dann auch anderen gegenüber an den Tag.

Danke dass Du hier warst.

Liebe Grüße Rainer

Ray Gratzner said...

Liebe Kessi,

danke für Deinen Besuch und auch liebe Grüße nach München. CU l8ter

Ray Gratzner said...

Liebe Tina,

du hast mit Deiner Kritik völlig recht. Diese Geschichte braucht viel mehr Klarheit.

Also, ja ich lebe immer noch, war aber im selben Alter, als ich Erzähler diesen Menschen traf.

Nun Lehrer hatten die Lehrer nie gelernt. Aber es gab eine Zeit, da gab es einen solchen Lehrermangel, dass man alle möglichen Menschen mit einer kurzen Zusatzausbildung zu Lehrern gemacht hat. Eigentlich ja eine Grund sich zu freuen für die Glücklichen, aber manche trugen einfach die Nase nur noch hoch in die Luft.
Nun, wie soll man eine Welt lieben, die einem nicht mit Liebe entgegenkommt, weil man von der Welt erwartet, die eigene Großartigkeit anzuerkennen, ohne eigene großartige Eigenschaften vorzuweisen?
Und ja, Du hast recht, lieben haben sie irgendwie nicht gelernt.
Mama und Papa trugen die Selbstlüge im Herzen. Sie inszenierten sich immer als besonders wichtige, bedeutungsvolle Menschen, denen die Sonne schon von weitem aus dem Hintern schien obwohl es in Wahrheit doch nur sehr beschränkt im Herzen und im Hirn daherging.


Ich werde mir die Geschichte noch einmal zur Überarbeitung nehmen, soviele Fragen blieb ja offen.
Liebe Grüße Rainer