Sunday, October 17, 2010

Musik der Götter



Kurz vor dem Aufwachen träumte Karl, Harfe zu spielen. Sein Körper war der Klangkörper und einen seiner Arme streckte er aus.
Von diesem Arm entsprangen Fasern, grüne fleischige farbige kräftige Fasern, an denen er zupfen konnte, um zu musizieren.

Wenn Karl eine Faser zog, dann füllte sich sein Inneres mit einem erfrischenden Kinderlachen, und er fühlte Wasser seinen Leib umspielen, während er in der Wanne saß, zusammen mit seinen Geschwistern. Fröhlich lachte er laut auf. Zog er an einer anderen Faser, dann hörte er langsame Musik, während er mit verschlafenem Gefühl entlang der Bluse seiner Jugendfreundin mit dem Kopfe abrutschte und sein Gesicht tief in ihrem warmen Leib zwischen ihren Brüsten stecken blieb, während, die Vibrationen ihres Lachens, des göttlichen Lachens von Anneli ihn an seinen Ohren kitzelte.

So musizierte Karl von Lachen zu Lachen, Faser um Faser, bis er schließlich erwachte, die Harfe verschwand und vor ihm aber deutlich eine Faser lag, die er bislang noch nie bemerkt hatte.

Karl presste die Augen zusammen, schüttelte den Kopf, suchte die Müdigkeit aus seinem Geiste zu verbannen, schloss die Augen fest, riss sie wieder auf - doch die Faser blieb da.

Wem gehörte sie? Karl berührte sie und fand sich in einem fremden Körper wieder. Ein Mensch der Furcht empfand und nicht entdeckt werden wollte. Ein Mensch, der in einem Schrank saß und bibberte. Ein Mensch, den Taschenlampenscheinwerferkegel suchten und der sich in Lebensgefahr wähnte.

Er ließ die Faser los und sie verschwand. Er vergaß die Faser.


Wenige Wochen später träumte er wieder, dass er Harfe spiele. Und als er aufwachte, fand er wieder eine Faser vor, die auf seinem Bett lag. Er nahm sie vorsichtig in die Hand. Sie bog sich, wie ein gummiartiger Wasserfaden und plötzlich fand er sich in einem fremden Körper wieder, nur diesmal hatte er eine Taschenlampe und er suchte sein Medikament, ein Herzmittel, dass ein kleiner Junge wohl mit Bonbon verwechslet hatte. Er hatte Angst sterben zu müssen und genauso viel Angst, dass dem Jungen etwas zustoßen möge.

Wieder verschwand die Faser, aber diesmal vergaß er das Erlebte nicht und er rief im Verlaufe des Tages seinen Vermieter an und fragte nach, ob in der Wohnung je ein herzkranker Mensch gewohnt hätte. Argwöhnisch hatte der Vermieter dies bejaht.

Sein Vater hätte dort gelebt, und wäre herzkrank gewesen. Aber als ein kleiner Junge seine Medikamente mit Bonbons verwechselt und gegessen hätte, da habe sein Vater einen Herzinfarkt erlitten und wäre wenig später in einer Klinik gestorben. Der junge, ein Kind aus der Nachbarschaft, dem habe man den Magen ausgepumpt und damit Schlimmeres verhütet, doch er erzähle diese Geschichte nicht gerne und sie läge auch viele Jahre zurück.

Karl bedankte sich für diese Informationen und staunte über diese Sache. Er wollte Maggi davon berichten. Maggi war der Mensch, den er liebte und den Karl heute um fünf treffen würde. Maggi hatte ihn eingeladen.

Punkt fünf klingelte er bei ihr. Sie gab ihm die Hand, und als er auf seine Hand blickte, da lag da eine Faser, ähnlich denen, die er auf seinem Bett gefunden hatte. Maggi strahlte ihn an und lud ihn in ihr Wohnzimmer ein, wo er sich nachdenklich setzte, während Maggi in die Küche verschwand.

Er berührte die Faser und erlebte ein gefühlstrunkenes aufgeregtes Gefühl der Freude. Karl war da, Karl, den er liebte. Den er liebte? Den Maggi liebte?

Er liebte Maggi auch und diese faserige Bestätigung war einfach schön und ergreifend. Er wünschte sich, er könnte Maggi seine Gefühle auch so schildern, da wuchs aus seiner Hand eine Faser und löste sich von ihm.

Als Maggi reinkam, stand er auf und hielt ihr die Faser hin, als ob sie eine Blume wäre. Maggi war irritiert, kam näher, nahm seine Hand, die Faser verschwand und dann trafen ihre Lippen sich. Warm und fest begleitet von den sanften Reizen ihrer Wangen. Ihm war es egal, was diese Fasern waren. Sie hatten ihm die Augen über Maggi geöffnet und Maggi anscheinend die Augen über ihn. Dankbar glitt er mit Maggi aufs Sofa. Er wünschte sich sie beide wäre Ozeane, die ineinanderflossen - Mann und Frau zur Erde vereint. In einem Glücksgefühl vergaß er alles um sich herum. Fasern, Gefühle und die reale Welt.

Als er am Morgen träumte, da spielte er Harfe auf ihrem Arm. Wie schön Musik doch sein kann. Karl wachte auf undsah eine Faser. Karl akzeptierte es von nun an und fand viel Liebe, wohin er auch ging, wovon er auch träumte.

3 comments:

Kessi said...

http://www.youtube.com/watch?v=l94Cbt-E6Pk

...das ist für Dich! :-)

Liebe Grüße Kessi

Ray Gratzner said...

Liebe Kessi, vielen Dank für diese himmlische Musik - überraschend und gut.
Liebe Grüsse Rainer

Elisabeth said...

Liebster Rainer,
ich bin begeistert... so eine wunderschöne Geschichte... voller Liebe... die fließt...
Danke dir!

Berührte und herzliche Grüße zu dir, Elisabeth