Sunday, January 23, 2011

Auf der Suche


Ein Mann war viele Jahre seines Lebens gegangen, um an das Ende seiner Welt zu gelangen. Er hatte verzichtet. Auf die Frau, die er ewig lieben würde. Auf die Familie, die ihn verehrte. Auf die Freunde, die er auf dem Weg zurücklassen musste.

Nichts war wichtiger auf dieser schmerzhaften Reise für ihn gewesen, als immer wieder Menschen aus seinem Herzen zu reißen und diese hinter sich zurückzulassen. Die Einsamkeit gab ihm Stärke. Während er reiste, sah er die Männer ringsum sich abplacken, mit schwerer Arbeit und Verantwortung. Er lächelte stets leidvoll müde und dachte daran, wie viel ihnen entgehen würde, weil sie das Rätsel vom Ende der Welt nicht ergründen würde. Er aber würde es kennenlernen, da war er sich sicher, denn er spürte das göttliche Feuer in seinem Inneren, das ihn vorantrieb.

Nach vielen Jahren auf der Suche kam er in seine Heimatstadt zurück. Doch er erkannte sie nicht mehr, denn viele Menschen hatten die Stadt verlassen oder waren gestorben. Häuser waren neu gebaut worden, Straßen liefen nun in anderen Routen durch die Stadt. Kurz gesagt: Nichts war so geblieben, wie er es kannte und so wusste er nicht, wo er war.

Er setzte sich auf eine Bank und betrachtete die Menschen, die an ihm vorbeiliefen. Plötzlich stand seine ewige Liebe vor ihm. Sie war in Begleitung von drei schönen Töchtern, die ihr beim Spazieren Gesellschaft leisteten. Die Vier blieben vor ihm stehen und langsam holte sie ein wenig Geld aus ihrer Tasche und steckte es ihm zu. "Da guter Mann. Ihr erinnert mich an einen Freund, den das Schicksal aus meinen Armen riss. Wo immer er ist, Gott gebe, dass ihm jetzt eine Frau wie ich, ein wenig Geld spende."

Dem Mann hatte es die Sprache verschlagen. Er fühlte all seine Liebesgefühle aus der Jugend wieder aufsteigen und mit schmerzerfülltem Gesicht schaute er auf das Geld - genug für eine Mahlzeit - während die vier Frauen sich entfernten. Er sprang auf und folgte ihnen in einem Abstand von 49 Schritten.

Bald schon bemerkten sie ihn und sie nahmen ihn auf und ließen ihn in einem Gartenhäuschen schlafen. Er gab sich weiter stumm und mochte sich aus Scham gegenüber seiner alten Liebe nicht zu erkennen geben, denn wie sollte er ihr erklären, dass er all die Jahre fort gewesen war, ohne das Geheimnis zu ergründen, während sie drei wunderschönen Töchtern das Leben geschenkt hatte. Er fühlte sich arm, dumm und überflüssig.

Manchmal am Abend kamen die Frauen in den Garten und saßen auf einer Bank. Dann lachten und erzählten sie sich viel, während er im Garten so tat, als ob er arbeitete und ihnen genau zuhörte. Dann und wann baten sie ihn sich zu ihnen zu setzen, doch wenn er sich setzte, blieb er stumm.

Eines Abends blieb er mit seiner ewigen Liebe allein im Garten. Sie ergriff seine Hand und sagte: " Wie ähnlich du doch ihm siehst. Meine Welt kam an ein Ende als er ging. Ich wusste, dass wir seelenverwandt waren. Ich spürte eine unendliche Vollständigkeit und Fülle, wenn er in der Nähe war. Er war der Richtige, doch konnte ich es nicht festhalten. Seine Unruhe war zu groß. Es schien, als spürte er nicht in sein Innerstes, sondern als suchte er am Horizont einen langen grauen Bart, der vom Himmel hinge, an dem er hinaufklettern könnte, als Einziger unter vielen, um Gott zu schauen und uns allen davon zu berichten. Käme er zurück, ich wüsste es sofort hier, in meinem Herzen." Dabei sah sie ihm tief und lange in die Augen.

"Ich habe viele graue Bärte in vielen bunten Ländern gesehen. Ich krabbelte so hoch, so tief und so weit ich nur vermochte. Und doch führte mich mein Weg zu dir zurück. Ich ließ alles im Stich für die Suche. Ich habe kein Anrecht auf ein gemeinsames Glück mehr." Als er dies gesagt hatte, wurde ihm schwindlig und sein Körper fiel schwach zu Boden. Er spürte, dass er jetzt sterben würde, dass sich ihm das letzte Wissen erschließen würde, hier und jetzt, wenn Gevatter Tod ihm die Seele von den Knochen riss.

Da setzten sich die drei Töchter an die noch freien Seiten des Suchenden. Die vier Frauen fassten sich bei den Händen und sangen ein Dankeslied. Das Leben ein Tanz, die Seele ein Lied, der Körper ein Haus, der Tod nur ein Dieb.

Und so gab er sein Leben auf um seine Suche zu erfüllen, doch er wurde wieder wach, weil er mit diesen schönen Frauen leben wollte - ohne jedes Geheimnis von Tag zu Tag. Er stand auf und sprach: " Ich suchte den Tod und wählte das Leben."

Da erwiderte sie, "Und hast mir damit, meine zweite Seele zurückgegeben."

So verbrachte der ehemals Suchende viele glückliche Jahre und er fand viele Wege sie für die Trennung zu entschädigen - eigentlich sucht er immer noch, doch jetzt das Leben.

6 comments:

Anonymous said...

Lieber Ray
eine schöne Geschichte - Du überlässt es aber unserer Fantasie, von wem die Töchter sein könnten. Und der Schluss ist dann doch etwas zu bombastisch - es fehlt nur noch der Engelchor. Aber im grossen und ganzen eine gute Geschichte. Der Schluss braucht vielleicht noch ein bisschen Feinschliff.
Liebe Grüsse Erwin (zentao )

Grey Owl Calluna said...

Mit der "Suche" bin ich vorsichtiger geworden......Ich fühle mich eigentlich eher angekommen,....auf meinem Weg, der viele interessante Begegnungen birgt und noch bringen wird.
Alles in allem eine wunderebar Geschichte, die doch noch Einiges der Phantasie überläßt.....
Sei ganz lieb gegrüßt
Grey Owl

Gabaretha said...

Lieber Rainer,
ich habe schon viele Menschen gesehen, die sich so verhalten wie der Held Deiner Geschichte...und nicht immer endeten die Geschichten dieser Menschen so erfüllt wie Deine.
Ich finde es deshalb besonders schön, dass Du Deinem Helden ein Happy End geschenkt hast.
Die Energie folgt ja bekanntlich der Aufmerksamkeit.
Viele liebe Grüße an Dich,
besser und besser,
Gaba

Ray Gratzner said...

Lieber Erwin,

vielen Dank für die konstruktive Kritik und auch für den Feinschliffhinweis. Es gibt nichts Schöneres, als zu erfahren, was so eine Geschichte auslöst...

Liebe Grüße Rainer

Ray Gratzner said...

Liebe grey owl, die Suche ist ja so individuell und persönlich, dass die bunte und manchmal auch triste Vielfalt das wirklich Interessante darstellt.

Vielen Dank für den Vorbeiflug...
Rainer

Ray Gratzner said...

Liebe Gaba,

danke für diese besser und besser Ermutigung und ja, man / frau erlebt es leider auch anders...

Liebe Grüße an den Master UltraMind.