Es war einmal ein Mann, der besaß eine eiserne Tasche. Diese Tasche hatte ein weiches, zartes Innenleben, das sehr gut geeignet war, die zerbrechlichsten und empfindlichsten Gegenstände zu transportieren. Von außen betrachtet und gefühlt, war die Tüte aber eine eisenharte Konstruktion, die allen äußeren Einwirkungen größten Widerstand entgegenbrachte.
Diese Tasche besaß der Mann sein ganzes Leben und irgendwie schätzte er die Tasche sehr, die er von seinem Vater geerbt hatte. Für ihn kam eine solche praktische Tasche nie aus der Mode.
Der Mann fühlte sich insbesondere dann sehr wohl, wenn er in der Tasche Sachen für seine Frau transportierte. Seine Frau besaß keine widerstandsfähigen Taschen. Alles war geschmeidig, was ihr gehörte. Ihre Taschen sahen schön aus und wichen den Einwirkungen und Stößen der Menschenmassen aus, indem das Gewebe Falten schlug, sich verformte und anschließend wieder, unter den zarten, pflegenden und wissenden Händen seiner Frau zur alten Form zurückfand.
In seiner eisernen Tasche erreichte kein Stoß, keine Kraft die Kostbarkeiten seiner Frau, die er von A nach B brachte. Doch die Tasche war durch das Alter unansehnlich geworden. Viele Männer besaßen ähnliche Taschen, aber sie hatten gelernt, modernere flexiblere Taschen im Alltag zu nutzen. Taschen mit frischen Farben, die so taten, als hätte es nie eine Vergangenheit mit eisernen Taschen gegeben.
Doch der Mann wusste nur zu genau, dass alle, was diesen Männern wirklich etwas bedeutete, nach wie vor auch von anderen Männern in eisernen Taschen durch die Welt getragen wurde, wenn diese ihre eisernen Taschen vielleicht auch in modernere Tasche eingenäht hatten.
Als der Mann älter wurde, begann seine Kraft zu schwinden. Vieles, was ihm gut getan hätte und seine Kraft wieder hergestellt hätte, ließ sich in seiner eisernen Tasche nicht transportieren, weil die Tasche zu klein war. Denn was stark und widerstandsfähig ist, ist auch schwer und kann so nicht übermäßig groß werden. Seine Frau zum Beispiel konnte in Taschen große Seelenbilder tragen, die beim Tragen auch noch wachsen konnten. Die stellte sie sich zu Hause hin und sammelte Kraft im Betrachten dieser Bilder.
Er hingegen konnte nur kleine Seelenbilder mit sich rumtragen. Und diese Bilder durften nicht wachsen, weil die Form der Tasche die Bilder zerbrochen hätte. So kehrte der Mann abends in eine Welt kleiner und alter Gegenstände zurück, die auch schon sein Vater besessen hatte, und die ihm nur Erinnerungen an Vergangenes, aber keine Kraft erfüllenden wachsenden Seelenbilder schenkten.
Er spürte, dass er früher sterben würde als seine Frau und da rief er seinen Sohn zu sich. "Sohn, höre."
"Bitte begrabe mich in deiner Tasche und breche mit der Tradition unserer Familie. Wir Männer brauchen keine eisernen Taschen mehr und ich möchte, dass du es eines Tages mal besser hast als ich. Du sollst nicht als Zwerg inmitten verstaubter Erinnerungen wehmütig auf das erfüllte Leben anderer schauen, die nicht so viel Wert auf sicheren Transport von Gegenständen legen."
Der Junge überlegte. Er nahm sich Zeit. Es dauerte. Dann nickte er. " So sei es, meine Tasche sei dein Sarg." Er warf sie von sich. "Doch du wirst leben und gesund werden." Er griff die Tasche seines Vaters, entriss sie ihm mit Gewalt und ließ sich durch alles Jammern, Drohen, Flehen und Fluchen nicht davon abbringen. Er ging mit der Tasche seines Vaters davon.
Als er keine eiserne Tasche mehr besaß, da bekam der Mann Angst. Er fühlte sich wehrlos, schutzlos. Doch nichts passierte und stattdessen atmete es in ihm auf und ihm war, als öffneten sich tausend sonnendurchflutete Fenster in ihm.
An seinem hundertsten Geburtstag ging der Mann viele Jahre danach an das Grab seines Vaters. "Papi, ich habe all die Zeit gewusst, was deine Tasche für eine Last für dich gewesen war, aber selbst ich wäre an dieser Last zerbrochen, wenn ich nicht den Mut besessen hätte, der Weisheit und Kraft meines Sohnes zu vertrauen. Die Welt ändert sich und eine eiserne Tasche kann das nicht aufhalten.
Dieser Teil gehört nicht mehr zur Geschichte. Bitte nicht lesen und ignorieren.
Und als der Mann gegangen war, da bewölkte sich der Himmel und aus einer grauen Gewitterwolke senkte sich eine große schwere eiserne Tasche aus dem Himmel auf die Erde hinab. Mit klagender metallischer Stimme sprach sie: "Ist da wirklich niemand mehr? - Niemand mehr, der mir folgt?" Ein Donnergrollen lief zum Horizont hinaus und die Sonne brach erneut hervor. So schnell, wie der Spuk gekommen war, verschwand er wieder.
6 comments:
Na endlich mal ein (einsichtiger) mutiger Mann!!
Hätte er auch schon viel früher haben können. Oder?!
Männer,...kopfschüttel....und grins...
Sei lieb gegrüßt
Grey Owl
Lieber Ray
dies Geschichte gefällt mir ohne Wenn und Aber. Eine Geschichte die jeden Mann angeht und zum Denken anregt.
Danke
Liebe Grüsse Erwin (zentao )
Schön und sehr nachdenklich...
Viel zu viele Menschen laufen mit ihren eisernen Taschen herum und haben Angst zu wachsen.
Lieber Rainer,
ich habe auch schon Erfahrungen mit eisernen Taschen der Männer gemacht...und dabei lernen dürfen, dass eiserne Taschen plötzlich auf unglaubliche Art und Weise geschmeidig und anschmiegsam werden können und sogar wachsen, wenn sich eine Frau mit reinem Herzen ihrer Pflege annimmt.
Vielleicht müssen die eisernen Taschen gar nicht unbedingt entsorgt, sondern können auch liebevoll umsorgt werden.
Das wollte ich nur mal so gesagt haben...für den Fall, dass ein Mann, der unbedingt seine eiserne Tasche fest halten will, bei Dir liest.
Ich danke Dir für die schöne Geschichte und wünsche Dir wundervolle Seelenbilder und passende Behältnisse dafür.
Besser und besser,
Gaba
Das ist 'ne tolle Geschichte!
BTW: Auch Frauen haben manchmal solche Taschen...
Liebe Grüße,
P.
Liebe PM,
das wird wohl wahr sein, doch Frauen sind da weniger und weniger von betroffen nach meinem Eindruck.
Viel Erfolg bei den eiseren Ladies - Thatcher lässt grüßen...
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