Wednesday, May 4, 2011

Lang ist's her

In einem anderen Leben, lang, lang ist es her, war ich es gewohnt der Diener eines Adligen zu sein. Wohin dieser Mensch auch ging, er war stets edler als ich, besser gekleidet, hatte den Geschmack, der vorherrschend war.

Und trotzdem war er ein Nichts ohne mich, denn er konnte sich nicht selber anziehen, nicht seinen Nachttopf  leeren, er konnte nicht kochen oder sonst eine nützliche Tätigkeit ausüben, die ein Überleben aus eigener Kraft gesichert hätte.

Mein Edelmann hasste es, wenn ich selber über die Welt nachdachte. "Ach lass er das doch. Er versteht ja doch nichts von den Dingen dieser Welt." Zu dieser Lebenszeit gab es nämlich für Diener noch keinen Schulunterricht.

In mir schwelte jedoch beständig diese Sehnsucht nach einer Erfüllung, nach Tagen, die ich nach meinem Geschmack verbringen könnte. Ich sehnte mich danach in Flüssen zu baden, denn mein Edelmann puderte sich nur. Ich sehnte mich danach, mit Menschen von gleich zu gleich zu reden und nicht wie ein kleines Kind behandelt zu werden und ständig so zu tun, als ob ich strenge Zucht und Ordnung brauchte.

Von Zeit zu Zeit seufzte ich dann, ach ich wollte ich wäre frei von all dem hier und könnte das Leben eines freien Mannes führen. Da kam eines Abends mein Edelmann zu mir und sagte, "nimm er diese Schachtel und vergrabe sie schnell im Garten und frage er nicht weiter und beeile er sich."

Ich tat wie mir geheißen und dann kam bald eine wütende Menschenmenge und holte meinen Edelmann ab, der die Menschen aber gar nicht ernst zu nehmen schien. Er kam dann nie mehr wieder. Ich grub schließlich die Box wieder aus - sie war voller Goldstücke und seit dem konnte ich das Leben eines freien Mannes führen. Da waren zwar immer noch diese Adligen, aber sie waren ruhiger geworden, geerdeter. Tja - keine große Geschichte und lang, lang ist es her. Gott sei Dank ist heute alles anders.


7 comments:

Gabriela said...

Lieber Rainer,
sehr eindrucksvoll, finde ich Deine Beschreibung aus einer fernen Zeit. Allerdings frage ich mich, ob heute tatsächlich alles anders ist.
Vielleicht ein bisschen subtiler?
Großes Potential für "besser und besser" ;-)
Viele liebe Grüße aus der N8 und immer:
besser und besser,
Gaba

Grey Owl Calluna said...

Lieber Ray!
Schon damals wustest Du, wie sich Wünsche erfüllen......

Weißd Du.....von Kind an habe ich dieses arbeiten "müssen" nicht besonders gemocht. Ich ging nur auf Arbeit, weil es sein muste....um Geld zu verdienen, dass ich leben konnte. Konnte nie verstehen, wie ein ganzer Lebensinhalt die Arbeit sein kann.....
Deshalb auch die Porbleme mit den Eltern. Ihr Lebensinhalt (war) ist: arbeiten.
Bin eher wie meine Großmutter, die denken, lesen, spielen noch vor das Arbeiten setzte.
Liebe Grüße
Grey Owl

Ray Gratzner said...

Liebe Gaba,

wie könnte dort, wo Du bist, Nacht sein?

Deine Grüße von der Sonnenseite nehme ich danken entgegen...

Liebe Grüße Rainer

Ray Gratzner said...

Liebe Rosi,

ich denke dass die größten Weisen aus armen und hart arbeitenden Verhältnissen entstammen.
Wer einen goldenen Löffel im Maul getragen hat, der erschlafft häufig schon vor der Pforte.

Was Du schreibst ist mir sehr sympathisch...

Liebe Grüße Rainer

Anonymous said...

Lieber Rainer
Die Diener gibt es immer noch und arogante Herren, die meinen sie seien etwas besseres, die gibt es auch immer noch zu viele.
Die Welt ist nicht besser geworden, es sind immer noch die gleichen Menschen.
Etwas ist anders geworden, die Diner von damals sind möglicherweise, die Herren und die Herren von damals sind die Diner.
Du als Diner hast noch Glück gehabt, hattest Du doch das Gold Deines Herren.
Liebe Grüsse zentao

Anonymous said...

Lieber Rainer
Die Diener gibt es immer noch und arogante Herren, die meinen sie seien etwas besseres, die gibt es auch immer noch zu viele.
Die Welt ist nicht besser geworden, es sind immer noch die gleichen Menschen.
Etwas ist anders geworden, die Diner von damals sind möglicherweise, die Herren und die Herren von damals sind die Diner.
Du als Diner hast noch Glück gehabt, hattest Du doch das Gold Deines Herren.
Liebe Grüsse zentao

Ray Gratzner said...

Lieber Zentao,

vielen Dank für Deine Gedanken und ich denke auch, dass die Menschen, wenn sie frei werden, das Gold der Herren mit sich tragen, ist es nicht die Arbeitskraft Ihrer Diener?

Liebe Grüße Rainer