Tuesday, May 13, 2008

Drei Freunde


Es waren einst drei Freunde unterwegs. Verstand, Glaube und Herz. Sie gingen gerne gemeinsam aus und hatten viel Spaß. Der Verstand wusste interessante Dinge zu berichten. Immer fand er Dinge heraus, die er Ursachen nannte und wenn man sich das so anhörte, dann schien das Herz und Gefühl auch sinnvoll zu sein.

Das Herz war der Motor der drei Freunde. Unermüdlich schlug es, und trieb die beiden anderen immer noch munter weiter, wenn Verstand nicht mehr denken konnte und Gefühl schon ganz schläfrig war.

Gefühl hingegen wusste auch immer um Ursachen, aber seine Ursachen waren nicht logisch sondern gefühlsmäßig logisch und Gefühl konnte viele Geschichten erzählen bei denen es gemeinsam mit Herz weinen konnte. Verstand weinte immer später, wenn die beiden Freunde schon gegangen war.

Dann kamen böse Männer ins Land, die trugen weiße Kittel und die setzten Verstand auf einen Thron und sagten Verstand du bist Deinen Freunden überlegen und die beiden anderen müssen dir dienen.
"Warum das?", fragte der Verstand empört. "Weil du die Ursachen kennst und die anderen nicht."
"Na ja, das stimmt",sagte der Verstand, "ich bin wirklich vernünftiger."

Von dem Tag an sollte Herz und Gefühl Verstand dienen. Und das Herz schlug nicht mehr so lustig klopf klopf klopf. Und das Gefühl war nicht mehr so dramatisch sondern eher immer ein bisschen müde und lustlos. Und der Verstand drehte sich morgens immer von seinem Thron aus in ein Wolkenheim, wo er seine beiden Freunde nicht mehr sehen musste. Verstand war mächtig, aber ihm fehlte das Weinen und die anderen schönen Geschichten Doch was sollte Verstand machen, es war doch vernünftig so, wie es jetzt geregelt war. Und die Männer mit den weissen Kitteln sagten das auch.

Da kam ein vierter Freund des Weges, der war verstohlen, denn er kam nur in der Nacht. Wenn alle schliefen. Und er hatte oft die drei Freunde in seinen Traumfragmenten gesehen. Und er führte das Herz, den Verstand und die Gefühle wieder zusammen und ließ sie ihre gute Freundschaft wieder erleben. Und immer bevor die Nacht endete sagte er den drei Freunden, "erinnert euch!"

Und so kam es wie es kommen musste. Eines Tages erinnerte sich der Verstand an eine wunderbare Geschichte aus den Träumen und er weinte viel, er ließ Herz und Gefühl zurückkehren und gemeinsam jagten sie die Männer mit den weißen Kitteln zum Teufel. "Freunde" sprachen sie da, als sie wieder vereint waren. "Lasst uns nie mehr vergessen, dass wir zusammengehören und dass wir vier Freunde sind!" So taten sie einen feierlichen Schwur und lebten glücklich bis an das Ende aller Ursachen, bis zum letzten Herzschlag, bis zum letzten dramatischen Gefühl und bis an das Ende aller Träume.

3 comments:

Anonymous said...

Lieber Ray,
seufz, wie schön diese Geschichte ist. Sie hat mich wirklich ganz tief berührt.
Danke dafür.
Sonnige Grüße
Dori

Ray Gratzner said...

Liebe Dori, danke dass Du sie gelesen hast. Sonnige Grüße zurück auch wenn die Sonne zur Zeit den anderen Teil der Erde bedient.

Anonymous said...

Hallo Rainer,

habe deine Geschichte heute bei Dori gelesen. Sie hat mich sehr nachdenklich gemacht, weil sie mir vor Augen führt, dass meine eigenen "drei Freunde" sich (noch) mitten im Kampf mit den Weißkitteln befinden. Mal siegt der eine, mal der andere ... Aber vielleicht sind es ja nun gerade auch die Gedanken an diese Geschichte, die den dreien helfen, sich wieder zu einigen.
Danke jedenfalls und liebe Grüße - Judith