Thursday, May 29, 2008

Carlito, Carlito


Wer Carlos Castaneda gelesen hat, der hat bei Ihm vielleicht das Konzept vom Auslöschen der persönlichen Geschichte gelesen. In meinen Worten zusammengefasst würde ich das so verstehen, wer seine persönliche Geschichte pflegt, der nimmt sich selbst, sein Ego zu wichtig und bleibt ein Gefangener von irrigen Ansichten über sich selbst. Insofern sollte ein Suchender bemüht sein, sich von seiner persönlichen Geschichte zu lösen, sie auszulöschen.

Darf ein Suchender eine persönliche Geschichte haben, oder sind im sonst die höheren Erkenntnisse der Esoterik verwehrt?

Wenn ich Castaneda lese, dann begegnet mir auf Schritt und Tritt das Charaktermuster eines geheimnisvollen Mannes. Diese Menschen legen sich im Verlaufe ihres Lebens eine Maske zu, die sie anderen Menschen gegenüber als ihr wahres Ego ausgeben. Meistens sind es sehr liebe Masken, oder die Masken sehr kompetenter Menschen. Geheimnisvolle Männer müssen erst lernen, diese Maske loszulassen und zu dem Ort in ihrem Inneren vorzudringen, wo sich ihre wahren Gefühle und ihre wahren Absichten befinden. Ein geheimnisvoller Mann muss seine persönliche Geschichte vielleicht löschen, wenn er es mit dem Lügen übertrieben hat, wenn das Lügen ihm so zur Gewohnheit geworden ist, dass ein Neubeginn erforderlich ist.

Für alle anderen menschlichen Charaktere, die direkten Zugriff auf ihre Gefühle und ihre Absichten besitzen, gilt das nicht. Castaneda hat diesen Zusammenhang nicht reflektiert, weil er seine Natur nicht wahrhaben wollte. Trotzig liefert er seine Vorstellung eines Schamanenschülers in Millionenauflage ab und möchte das die Menschen wie die Lemminge den Gedanken eines geheimnisvollen Mannes folgen. Sorry Carlito, das Wissen finden Andere und das hast Du immer gehasst nicht wahr?

Die persönliche Geschichte ist die Geschichte der persönlichen Lernschritte. Sie ist bei jedem Menschen unterschiedlich und wunderbar und wir nehmen uns um keinen Deut zu wichtig, wenn wir uns unserer Fortschritte, unserer Veränderungen und unseres Weges bewusst sind. Triffst Du Buddha unterwegs, gib ihm einen freundlichen Tritt in den Hintern.

4 comments:

der Gauzibauz said...

Lieber Ray,

natürlich "darf" ein Suchender eine persönliche Geschichte haben!
Das ist das was einen Menschen ausmacht und auf den Weg bringt.
Ohne den Schatz des Erlebten gibt es kein Mitgefühl, oder?

Liebe Grüsse//Erika

Anonymous said...

Lieber Ray,
seine Maske ablegen - da muss jeder irgendwann in irgendeiner Weise durch.
Kennst Du einen, der sich nicht ein Bild von sich selber zusammen gebastelt hat?
Ein Mensch, der ohne Maske lebt, kann auch erschreckend sein, vorallem für sich selber - oder er kann sich annehmen wie er ist.
Dann ist er ein Meister.

Liebe Grüße
Barbara

Die Große Vorsitzende said...

Hi Ray,

kann es sein, dass der gute Carlito allen Grund hatte, seine persönliche Geschichte... äh... hinter sich zu lassen? Z.B. den Umstand, dass er als Anthropologiestudent ja Zugang zur Bib seines Fachbereichs hatte, wo er sicher viele spannende Bücher zu seinem Thema finden konnte (und wohl auch gefunden hat)? Oder dass er die Angewohnheit hatte, über seine biografischen Daten zu lügen? So was möchte man nicht so gern auf seine Reise als Guru mitnehmen...

Für uns Normalsterbliche kann eine persönliche Geschichte vielerlei bedeuten: Etwas das uns an die - möglicherweise ungeliebte - Vergangenheit fesselt; ein Teil unserer Selbstdarstellung (und wie diese vielleicht... ähm... umgestaltet); oder, wie Du schreibst, die Struktur des eigenen Lebens und Weges...

Ich würde mich weder auf Deinen noch auf Carlitos Standpunkt festlegen wollen. Wahrscheinlich ist beides richtig: Bei den ersten Schritten ist der Blick zurück, was man schon erreicht hat, sicher wichtig. Aber je weiter man kommt, desto mehr wird man sich möglicherwiese fragen, ob man die Bindung an die Vergangenheit noch braucht.

Bon soir

Ray Gratzner said...

Liebe erika, ich bin ganz Deiner Meinung. Und Mitgefühl ist auch ein Weg sich selbst zu verstehen.

Liebe Barbara, Du hast schon recht, das man sich ein Bild von sich zurechtlegt, dass auch kritisch hinterfragt werden will.
Und ich kann mir vorstellen, dass Menschen ohne Maske Angst machen können. Grüße an die Meisterin.

Liebe Große Vorsitzende, schön wieder was von Dir zu hören.
Carlito hat bestimmt jede Menge in der Bibliothek geliehen und genutzt. Da seine Bücher am Anfang auch wissenschaftliche Arbeiten sein sollten...
Seine eigene Sichtweise zu suchen ist immer das Beste und ich wünsche Dir viel Erfolg
Bon soireé