Saturday, January 3, 2009

Wanderer der Unendlichkeit


Die Wanderer der Unendlichkeit stoppten. Niemand war auf seinen Vordermann aufgelaufen, denn einen Vordermann in dem Sinne gab es nicht. Es gab nur den steten Fluss der Seelen, die die Wandernden in Bewegung hielten.

"Was ist los?" Tausendsprachig lief dieser Gedanke davon wie eine Welle am Strand und rollte über die Unendlichkeit.

"Vorne behaupten sie, das Sterben sei beendet und wir könnten nach Hause gehen. Es stirbt so schnell keiner mehr."

Die Seelen der Ungeborenen kümmerte das nicht. "Es gibt noch immer Kinder", sagten sie.

Da versammelten sich die Wanderer am Abgrund, an dem ansonsten die Lebensfäden durchtrennt wurden. Tatsächlich jedermann konnte den Ort betreten, an dem zu stehen vor wenigen Augenblicken das Ende bedeutet hätte.

Sie schauten sich um, der Ort wirkte gewöhnlich - nichts Sakrales, nichts Besonderes haftete ihm an - nur Stille. Die ersten Mutigen und Neugierigen stürmten in den Raum, erfüllt von einem Gefühl, einem bedeutenden Moment in der Geschichte nahe zu sein, ein Zeuge von etwas Unerhörtem, nie Dagewesenem zu sein.

Dann breitete sich Hektik aus, als in einem tausendfachen Aufschrei der Lebensfaden von Tausenden gleichzeitig inmitten des Platzes unwiderruflich getrennt wurden. Erschreckt wichen die Wandernden der Unendlichkeit zurück.

Was war das?

Die Älteste der Wandernden erinnerte sich, das als sie jung war, der Älteste in ihrer Zeit von einer Legende gesprochen hatte.

"Von Zeit zu Zeit tut die Unendlichkeit so, als könnte sie auf den Tod verzichten, als wäre er besiegt. - Doch wer das glaubt käme unweigerlich darin um."

Dann blickte sie sich um. "Diesmal war es hier in der Unendlichkeit, aber es wird wieder geschehen - Momente des Sieges über einen geschlagenen Tod....."

8 comments:

Grey Owl Calluna said...

.....schöne Geschichte, lieber Ray!
Liebe Grüße
Grey Owl

Anonymous said...

Diese Geschichte verstehe ich nicht so ganz. Ich bitte Dich deshalb um eine Interpretation.

Liebe Grüße,
Astraryllis.

PS.: Und? Wie hast Du Silvester verbracht? Mit Action oder mit Gemütlichkeit?

Hexe said...

Ich verstehe diese Geschichte ehrlich gesagt auch nicht so ganz. Sicher muss ich sie noch ein paar mal lesen.

Aber muss man immer Alles verstehen?

Anonymous said...

@ Hexe

Gute Frage: Muss man immer Alles verstehen?
Ich denke, mit dem Gefühl versteht man oftmals mehr als mit dem Verstand. Emotional spricht mich die Geschichte schon an, denn die dort verwendeten Bilder sind sehr ausdrucksstark. Ich vermute, Dir geht es ähnlich.

Auch Dir ganz liebe Grüße,
Astraryllis.

Ray Gratzner said...

Liebe astraryllis, eine Interpretation will ich gerne geben. Ich kann leider nur für die männliche Sicht sprechen, aber die Männer fühlen sich häufig angezogen vom Thema der Unsterblichkeit. Eine Frau die Kinder geboren hat, mag das Thema Unsterblichkeit vielleicht schon erledigt haben....
Nun gut, die Suche nach dem ewigen Leben kann ein Stolperstein sein, an dem der Suchende strauchelt - mit Folgen.
Denn der Tod sorgt für Wandel im Leben, dem wir uns alle jeden Tag stellen müssen, und an dem wir wachsen und persönlich weiterkommen können.
Ich bin überzeugt, dass auch die Suche der Mediziner nach Unsterblichkeit letztlich Gegenteiliges bewirken kann - das Thema hat also viel Potenzial zum Spekulieren....Euch allen Grey Owl und Hexe wünsche fröhliches Bloggen.....

hierundjetzt said...

hmm, über die geschichte muss ich nachdenken...

herzlichen sonntagsgruss dir lieber rainer
jrene

Anonymous said...

Jetzt verstehe ich diese Geschichte besser.
Ich denke, die Tatsache, dass man mit diesem Leben nicht ewig weitermachen kann, zwingt einen dazu, sich im Leben Ziele zu setzen und auszuwählen, was man noch tun und erreichen möchte. Dadurch lebt man intensiver, als wie wenn man wüsste, dass man ewig lebt. Dann wäre man wohl eher geneigt vieles aufzuschieben.

Liebe Grüße,
Astraryllis.

Anonymous said...

wenn wir unseren Kern als unsterblich annehmen, stelle ich mir vor, wie Dir dieser Teil beim Schreiben lächelnd zuschaut...

Ray schreibt eine Geschichte über die Sterblichkeit. Er träumt intensiv. Soll ich ihn wecken?, denkt das Höhere Selbst.

Liebe Grüße
Barbara