Sunday, March 7, 2010

Der Seher wird gesehen

Der Seher sieht nicht, er wird gesehen. Dieser Umstand wird gerne und oft übersehen und ist überdies der Grund, warum Seherlinien im Laufe der Zeit abbrechen können, wenn sich die jüngere Genration wieder einmal darin verhaspelt, erst die Welt in die Knie zwingen zu wollen - mit Wissen anstatt offen zu sein für fremde Eindrücke. So gesehen ist das Sehen die Kunst der Ohnmacht.

Der Seher akzeptiert, dass nicht er das Sehen steuert, sondern er empfängt sein Sehen und das damit verbundene Wissen aus einer Quelle, die an seinem Leben keinen persönlichen Anteil nimmt. Die Unendlichkeit ist zu weit von uns entfernt, als dass sie die Werte der Menschheit zu universalen Werten erklären würde. Vielmehr hat der Gesehene (also der eigentliche Seher) Anteil an Wissen und Bedeutungen, die dem Seher in seinem Alltag nicht unbedingt voranhelfen. Aber der Seher verbindet sich durch das Sehen nach und nach fest mit der Unendlichkeit.

Da Sehen so alt ist wie die Menschheit, und jeder von uns geboren wurde ohne ein Ego zu haben, ist der erste Kontakt mit der Unendlichkeit unsere Geburt. Wir sind ohnmächtig, hilflos und - und sehend. Wir erleben wie andere uns sehen, wir erleben wie die Unendlichkeit uns sieht. Und würde uns jemand sagen können, was der Sinn unseres Lebens ist, er würde seine Aufmerksamkeit auf jenen Moment richten, in dem die Unendlichkeit ihre Aufmerksamkeit auf uns richtete, als wir ankamen auf dieser Welt.

Je weniger ein Seher bewirken kann, umso kräftiger und treffender sind seine Eindrücke aus der Unendlichkeit. Vielleicht ist es ein bißchen so wie mit der Heisenbergschen Unschärferelation. Man kann den Ort eines Teilchens genau kennen, dann weiß ich nichts über seinen Impuls (Bewegung) oder aber ich kenne seinen Impuls genau und weiß nichts über seinen Aufenthaltsort.

Je besser ein Seher sieht, umso weniger kann er mit diesem Wissen bewirken. Und je mehr ein Seher bewirkt, umso weniger sieht er wirklich. Wenn man sich von einer guten Seherin seine Zukunft zeigen lassen wollte, um einen Vorteil zu haben, so wäre die beste Sicht nichts was mir helfen würde, etwas zu vermeiden.

Nehmen wir an ich hätte Angst von einem Zug überrollt zu werden und fragte eine Seherin, ob ich dieses Schicksal erleiden werde. Sie sagt meinetwegen Ja. Was muss ich tun, um diesem Schicksal zu entgehen, fragte ich weiter. Fahre keinen Ford Focus, antwortet sie. Indem ich diesen Wagentyp zu vermeiden versuche, ziehe ich genau diese Zukunft an, denn ich bin ein schlechter Seher sprich mächtiger im Wirken, und ich bin überzeugt davon, in einem Ford Focus platt gefahren zu werden und werde irgendwann aus irgendeinem dummen Zufall in einem Ford Focus sitzen...

Was würde ich daraus lernen? Nicht das was andere über mein Leben sehen zählt. Das was ich selber sehe zählt.

Warum dann Sehen?

Weil das Sehen wie ein Dünger für das Feld der anderen spirituellen Künste ist. Die Ohnmacht bringt uns in die Balance, die die Künste beherrschbar machen.

Morgen dann eine neue Übung zur Entwicklung der Hellsichtigkeit.

Nun noch die Diskussion der weiteren Rückmeldungen:

Gaba sagt, der Satz, die Energie folge der Aufmerksamkeit, passe auch hier. Und man müsse sich vor den inneren Welten nicht fürchten. Nun gut, welche Energie folgt dann der 'fremden' Aufmerksamkeit der Unendlichkeit, wenn wir von ihr gesehen werden? Sehen füllt innere Welten, wir könnten ohne das Sehen Tausende von Jahren in uns nach dem Ort suchen, wo uns Menschen die Freiheit zuteil wird. Das Sehen aber zeigt uns diesen Ort und schafft in uns diesen Ort. Das Sehen verändert uns.

Liebe Gaba, vielen Dank ins Isartal.

Zentao weist auf die Bedeutung von Mitgefühl hin. Indem wir Mitgefühl erwerben müssen wir an uns selber arbeiten, erkennen uns und werden so befähigt andere Menschen erst wirklich zutreffend geistig zu sehen. Dem kann ich nur beipflichten, aber diese Kunst scheint mir geschicktes Wirken zu sein, denn wenn ich das Mitgefühl kenne, dann verstehe ich irgendwann auch das Mitgefühl von anderen für mich zu entflammen und das wäre ganz schön mächtig. So gesehen verträgt es sich nicht mit der Ohnmacht, die ich dem Seher zuspreche..

Liebe Grüße in die Schweiz

Barbara sagt, dass Erfahrung und die den Dingen innewohnende Energie wichtig sind. Dem pflichte ich bei. Ich fühle mich dabei aber schon in der Welt der Interpretation, dem Moment danach...Sehen bringt mir immer wieder Unbekanntes und Unfassbares, dass ich vielleicht garnicht interpretieren kann weil es mich lange sprachlos macht, weil ich niemanden kenne, der ähnliches beobachtet hat.

Liebe Grüße an die Poetin


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