Der weise Mann zauderte nun schon zwei Tage. Stundenlang stand er vor den Steinen, die markant mitten auf dem Weg lagen. Es waren gewöhnliche Steine, größer als ein Kiesel, kleiner als ein Straußenei und gefleckt waren sie, wie Mischlingskatzen.
In Ruhe stand der weise Mann da, nur um sich wieder zu setzen und schließlich zur Nachtzeit sogar ein Nickerchen am Wegesrand zu machen. Schließlich kam sein besorgter Schüler zu ihm, der den Meister vermisste.
"Meister, wo bleibt ihr. Wir sorgen uns um euch."
"Ach sorgt dich nicht um mich du Dummkopf, bemitleide lieber diese Steine. Was für ein Drama!"
"Wieso Drama, welche Steine meint ihr."
"Ja, siehst du es denn nicht, sie liegen da, sie lieben sich und während sie sich einander annähern, darf ich sie nicht stören, es könnte Jahre oder Jahrhunderte dauern, bevor sie sich wieder so nahe kommen."
Sein Schüler kratzte sich am Kopf. "Warum geht ihr nicht um sie herum? Ich sehe gar nichts."
Der Schüler ging auf die Steine zu, aber der Meister ergriff seinen Arm. "Wage es nicht, die Liebenden zu stören."
Derweil kamen zwei Spaziergänger des Weges, die mitten durch die Steine hindurch gingen."
"Seht ihr, seht ihr Meister. Die beiden haben die Steine gestört, nun können wir nach Hasue gehen."
"Du bist so dumm, dass die Steine weinen würden, wenn sie es könnten. Wie sollen zwei Menschen einen Stein stören."
Der Schüler setzte sich. "Ihr seid ungerecht Meister. Euer Spiel ist willkürlich. Macht ihr das nur, um mich mit nicht nachvollziehbaren Vorschriften zu quälen. Ich bin ein Mensch, wie die Spaziergänger, warum darf ich nicht zwischen den Steinen durchlaufen?"
Der Meister setzte sich und lächelte. "Ganz einfach, die Steine sehen die Menschen nicht. Du als mein Schüler bist aber kein Mensch. Du bist ein Stein, du bist ein Bach, der Himmel oder die Wiese und also sehen die Steine dich."
"Nun gut, dann lasst uns umkehren und einen weiten Bogen machen."
"Nein das geht auch nicht, denn einer der liebenden Steine bin ich. Geh lieber und hole mir etwas zu trinken."
Der Schüler versorgte den Meister mit Essen und Trinken während der nächsten zwei Wochen. Dann eines Morgens, im Frühnebel, sah der Schüler den Meister über den Weg hin und herschreiten. Glücklich lief er auf den Meister zu und umarmte ihn. Doch der Meister entschwand und stattdessen stand der Schüler direkt vor einem der beiden Steine und er fühlte Liebe für diesen Stein, wie für ein junges Mädchen."
Da trat der Meister aus dem Nebel und gähnte. "Komm, ich habe Verantwortung für dich, du solltest nicht jede Frau sofort nehmen."
Schüler und Meister gingen nach Haus. Zu Hause angekommen fragte der Schüler, "Wie seid ihr so schnell verschwunden?"
"Nun", sagte der Meister, "nicht ich bin verschwunden, sondern Du bist zum Stein geworden und hätte ich dich nicht abgeholt, du wärest vielleicht Jahre fort gewesen. Doch nun bist Du ein Freund der Steine. Liebe sie und sie werden dir so manches Mal den Weg weisen."
Es war nicht das letzte Mal, das der Schüler den Meister für wirklich durchgeknallt hielt.
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