Sein letzter Tag auf Erden war angebrochen. Er wusste es, aber es berührte ihn nicht. Er war gefasst und bereit. Ein letztes Mal wollte er an seinem Todestag durch sein Haus gehen und sich verabschieden von seinem Lebenswerk. Er ging langsam von Zimmer zu Zimmer und musterte die überlebensgroßen Buchregale, in denen er thematisch sortiert, seine Funde aufbewahrte. Schließlich gelangte er zu seinem Lieblingsort. Seiner großen Bibliothek.
Der Raum war der größte im Haus und solange seine Frau noch da gewesen war, hatte es jahrelangen Streit darum gegeben, warum er das größte Zimmer für sich beanspruchte. Warum er immer soviel Zeit hierin verbrachte. Er wanderte durch den Raum legte hie und da eine Hand auf einen Buchrücken und erinnerte sich dankbar der Stunden des Glücks, die ihm die Bücher bescherten, die ihm neue Einsichten brachten. Er war fertig. Er hatte sich alle Fragen beantwortet.
Zufällig fiel sein Blick auf ein schwarzes Regal, links oben. Da klaffte eine Lücke in der Buchreihe. Unwillkürlich beschleunigte er seinen Schritt dorthin. Parbleu – Der Schweiß brach ihm aus. Hier fehlten Bücher. Diesen Fragen hatte er sich bis zuletzt nicht gestellt, sie übersehen. Mit zitternden Händen griff er das erste Buch, um das Thema zu lesen.
Der Sinn der Gelehrsamkeit? All die Jahre hatte er gesucht, gesammelt, ergründet. Eine Frage führte zur Nächsten, aber warum das alles? Warum.
Er setzte sich nieder und erforschte seinen Verstand. Der Tod setzte sich neben ihn und legte ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter. „Na, ahnst du es?“
Der Gelehrte schüttelte den Kopf. „Nein, warum all dies?. Ich bin noch nicht fertig“
Der Tod lächelte und entschwebte.
Der Gelehrte ist ein Sammler. Er ist im Gleichgewicht, wenn er Wissen sammeln darf. Dabei kann die Leidenschaft Wissen zu sammeln die Form einer Besessenheit annehmen, die die Bedürfnisse anderer Menschen gering schätzt. Der Gelehrte ist freundlich und offen zu allen Menschen, die ebenfalls nach Wissen suchen, denn mit ihnen ist er in seinem Element, aber er kann die, die er liebt vernachlässigen, vergessen.
Seine Suche hält ihn gesund und den Tod fern. In seiner Nähe können Kranke gesunden, daher findet der Gelehrte im Heilen eine natürliche Begabung. Für ihn ist es schwer, seine Liebe zum Wissenserwerb mit der Liebe zu anderen Menschen zu teilen und so ist er gefährdet von anderen verlassen zu werden, die menschliche Nähe suchen.
Mitunter wirkt er arrogant und zynisch, vor allem wenn seine Feststellungen Langeweile über die Menschen und Leiden an der Dummheit der Menschen transportieren. Die Feststellungen schließe den Gesprächspartner nie ein, sondern sind eine Einladung zur gemeinsamen Suche von nichts Geringerem als dem Stein der Weisen, in welchem Gebiet auch immer.
Seine Werte und sein Streben sind häufig einer höheren Warte zu zuordnen, zu edel um am Boden zu bestehen und mit hohem Anspruch an Welt - passend für die Suche nach Wissen und hinderlich im Umgang mit der wirklichen Welt.
1 comment:
Glückwunsch! So wie Du den Typen schilderst, beschreibst Du ihn auch. Nicht übel.
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