Der Mann bewegt sich zögernd durch das Kaufhaus. Immer wieder bleibt er stehen. Er lässt sich Uhren von der Verkäuferin zeigen, zaudert und gibt die Uhren unschlüssig zurück.
Manchmal wiegt der Mann wirklich schöne Uhren in der Hand. Eine teure Uhr liegt in seiner Handfläche. Er befühlt das Gehäuse, erfreut sich an der Form und den Farben. Die Uhr gefällt ihm, das kann die Verkäuferin an seinem Lächeln ablesen. Wird er die Uhr kaufen?
Doch der Kunde gibt die Uhr zurück und schaut sich weiter um. Da, bei den Schnäppchen wird er fündig. Eine unauffällige aber funktionale Uhr für fünf Euro nimmt er beherzt in die Hand. Er sieht erleichtert aus, geht zur Kasse und bezahlt.
Die Mann trägt Kleidung guter Qualität, die mit Geschmack ausgesucht ist. Er sieht nicht so aus, als hätte er nicht das Geld für eine schöne Uhr gehabt.
"Happy Birthday to you ... ", so klingt es bei der Betriebsfeier. Burghard reicht Leo sein Geschenk. "Alles Gute zum neuen Lebensjahr."
"Ja, danke Burghard."
Leo packt das Geschenk aus, "eine Uhr!", ruft er aus. Alle Gäste schauen und johlen und Leo macht sich die Uhr ans Handgelenk. Das du darauf geachtet hast, das meine Uhr kaputt gegangen ist. Leo strahlt. Burghard winkt beschwichtigend ab.
Später am Abend bekommt Burghard unerwartet ein Gespräch zwischen Harald und Leo mit, als er sich bückt um am Boden nach einem Feuerzeug zu suchen.
"Und - wie findest du meine neue Uhr?", fragt Leo.
"Potthässlich, die gibt es im Einkaufshaus für ein paar Euro. Ich habe gestern erst welche gesehen." Harald verzieht das Gesicht.
"Was?", Leo schaut auf die Uhr. "Auf das Preis Leistungsverhältnis kommt es an. Die Uhr funktioniert doch."
Burghard ist peinlich zumute. Sie setzt sich ein bisschen abseits vom Trubel in einen Sessel und denkt nach. Potthässlich, wie kann Harald das nur behaupten? Wie war das im Geschäft?
Harald erinnert sich. Er hatte diese wunderschöne Armbanduhr in der Hand gehabt. Und dann hatte er sich Leo vorgestellt mit der Uhr am Handgelenk und wie er sich freuen würde, weil seine alte Uhr gerade den Geist aufgegeben hatte. Dann hatte er den Preis der Uhr gesehen. Soviel Geld! Freundschaft hat doch nichts mit Geld zu tun, hatte er gedacht. Ich muss Leo nichts Teures schenken. Es geht nur um die Geste.
Auch Burghard findet, das das Schnäppchen nicht so schön ist und er weiß, dass er immer wieder - wie unter Zwang - Dinge aus der Hand legt, die er als teuer empfindet. Burghard versteht nicht warum. Er zuckt mit den Schultern. Bin ich geizig?
Wenn Menschen Freundschaften pflegen, dann kommt der Moment von Geben und Nehmen. Menschen die schwer schenken können, obwohl sie keine Not leiden, haben eine untergründige Angst. Sie fürchten ohne Mittel dazustehen und niemanden zu haben, der ihnen ein Geschenk macht oder für sie aufkommt. Sie haben nicht das Gefühl etwas so Besonderes zu sein, dass ihre Mitmenschen sich um sie kümmern werden. Damit sind nicht Menschen gemeint, die wenig Geld zur Verfügung haben, und auf die Verwendung sorgsam acht geben müssen. Was sie schenken kommt von Herzen und wiegt schwer.
Dieser Angst gilt es ins Auge zu schauen und sie nicht von sich zu weisen. Ängste überwindet man, indem man ihre Bedeutung versteht. Burghard will vorbereitet sein, für den Tag an dem alle ihn verlassen werden. Wenn er jetzt spart, dann wird er genug haben, um über eine solche Durststrecke hinweg zu kommen. Doch der Betrag für ein paar Geschenke wird nicht wirklich lange vorhalten, oder?
Burghard fragt sich, habe ich denn Angst von Anderen zu nehmen? Er schaut in sich hinein und erinnert sich an Geschenke. Er nahm gerne an. Warum nicht annehmen? - dachte er - die Anderen haben doch genug. Burghard findet, dass die Kollegen um ihn herum genug besitzen und zurecht kommen. Er spürt einen Stich von 'ungerecht behandelt werden' und 'zu kurz zu kommen'. Burghards zweite Motivation, die zum Sparen führt ist keine Angst sondern ein Groll zur kurz zu kommen. Jetzt kennt Doris die Bedeutung des Sparens.
Leo würde Burghard nicht hängen lassen und Burghard hat bei ihm auch keine Angst zu kurz zu kommen. Burghard steht auf. Vielleicht hätte ich mir im Kaufhaus über diese Gefühle klarer werden sollen. Ich muss mir mehr Zeit nehmen über Gefühle nachzudenken.
Er geht zu Leo. Harald setzt ein schiefes Lächeln auf, als Burghard kommt.
"Du Leo?"
"Ja?"
"Ich wollte vorhin nichts sagen, aber mir ist mit deinem Geschenk eine Verwechslung passiert. Die Uhr war nicht für dich bestimmt. Lass uns morgen mal nach der Arbeit einen Kaffee trinken gehen und wir suchen gemeinsam eine Uhr aus, die dir gefällt."
Leo strahlt und gibt Burghard das Schnäppchen zurück.
"Warum nicht?"
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