In letzter Zeit befällt mich ab und zu ein unerklärliches, trauriges Gefühl, das ich in meiner Nabelgegend spüre. Es ist durchdringend, schmerzhaft und unerklärlich intensiv. Ich habe das Gefühl in meine Meditation mitgenommen, um seine Bedeutung zu ergründen.
Vor meinem inneren Auge erschien mir ein Moment meiner Kindheit. Meine Mutter erzählte, was meiner Urgroßmutter passiert war. Sie hatte acht Kindern das Leben geschenkt. Während des zweiten Weltkrieges wurden die sechs Söhne zur Wehrmacht eingezogen.
Während der Krieg tobte kam hin und wieder der Briefträger und brachte einen Brief der Wehrmacht. Diese Briefe enthielten die Meldungen, dass einer ihrer Söhne gefallen sei. Meine Urgroßmutter nahm den Brief, sie sagte nichts, ging auf ihr Zimmer und schloss sich ein. Sie blieb für sich für ein bis zwei Tage und liess niemanden ins Zimmer. Niemand wusste, was sie in dem Zimmer tat. Wenn sie nach Tagen das Zimmer verließ, war sie ruhig, aber sie sprach nie wieder von ihrem toten Kind.
In meiner Meditation kann ich den Schmerz spüren, geliebte Menschen zu verlieren. Ich fühle eine Frau um ihre Kinder trauern. Gefühle, die wir nicht besprechen, geben wir doch weiter. Meine Urgroßmutter reichte ihren Schmerz an meine Mutter weiter. Über die Erzählung hat sie die Gefühle auch an mich weitergereicht.
Eine Generation reicht Gefühle an die nächste weiter und wie lange mag es dauern, bis die Gefühle unserer Vorfahren in uns nicht mehr präsent sind? Dauert es wie in der Bibel, bis ins siebte Glied? Ich weiß es nicht. Ich weiß, dass nicht jedes Gefühl, dass ich spüre mein Gefühl ist und das macht die Welt nicht einfacher.
2 comments:
Lieber Rainer,
was Du über das Zurücklassen der Gefühle schreibst, kenne ich nur zu gut.
Ich trage nämlich unter anderem das Schicksal und die Gefühle meiner über alles geliebten Großmutter mit mir. Dies wurde ganz deutlich in einigen Familienaufstellungen, die ich gemacht habe.
Es ist sehr schwer, sich von diesen Gefühlen zu lösen, vor allem, wenn sie von Menschen kommen, die schon gegangen sind.
Aber wenn man sich darüber bewusst ist, woher solche Gefühle kommen, dann kann man auch besser damit umgehen.
Liebe Grüße
Dori
Liebe Dori, vielen Dank für Deinen sehr persönlichen Beitrag, über den ich mich freue.
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